Am Mittwoch waren Marcus und ich den ganzen Vormittag unterwegs um ihm eine Brille machen zu lassen. Der Optiker erzählte witzigerweise von der Hausgeburt seines Sohnes - ein gutes Ohmen! Liam war bei meinen Eltern und machte dort auch Mittagsschlaf. Wir waren den ganzen Tag unterwegs, hatten noch viel eingekauft, nachmittags noch Schuhe für Liam besorgt. Am nächsten Tag wollte mein Schwager mit seinem Sohn kommen, der am 16. gerade 1 Jahr geworden war. Also besorgten wir auch noch ein Geschenk für ihn. Abends war ich total hungrig und hatte Lust auf was richtig Kräftiges. Ich machte Käsenuggets und Maultaschen mit Quark. Wir haben alle drei ziemlich viel gefuttert. Marcus und Liam sind um 20 Uhr ins Bett, ich bin noch kurz im Internet gewesen und dann entspannt in die Wanne gegangen. Wollte unbedingt noch meine Haare waschen. Ich fühlte wie immer nach dem Muttermund, der Gebärmutterhals stand noch bei 2 cm. Mehr konnte ich nicht tasten. Es war wie die Tage zuvor unverändert. Ich hatte absolut nicht das Gefühl, dass es losgehen würde. Bin dann 21 Uhr im Bett gewesen und konnte schnell schlafen. 23 Uhr wurde ich wach und musste auf die Toilette. Nichts Besonderes. Auf dem Weg zurück zum Bett wurde es plötzlich sehr feucht im Slip, ich hatte mich gerade auf die Bettkante gesetzt. Das konnte nur die Fruchtblase sein. Ich war hellwach. Sagte gleich Marcus Bescheid. Im Nachhinein die richtige Entscheidung. Eigentlich dachte ich, er könnte noch entspannt ein bisschen schlafen. Ich sagte ihm, dass meine Fruchtblase es hinter sich hat. Er stand sofort auf.
Ich bin erstmal wieder ins Bad, weil ich Angst hatte, auszulaufen. Aber es war kein Blasensprung, sondern nur ein Riss, sodass nur gelegentlich ein bisschen Flüssigkeit austrat. Marcus hatte eine Checkliste, die er nun abarbeitete. Er kam sofort ins Bad und fragte, ob er die Hebamme anrufen soll. Ich wollte eigentlich noch abwarten, aber aufgrund der Uhrzeit hielt ich es für fair ihr rechtzeitig Bescheid zu sagen. Vielleicht war sie ja noch wach. Christine hatte Rufbereitschaft, Alexandra war 2. Hebamme. Ich sagte Marcus, er solle sagen, dass ich einen Blasenriss habe und mich später wieder melde. Dann wollte ich nochmal in die Wanne. Es war 23:05 Uhr als ich in die Wanne stieg, da kamen erste zarte Wehen. Ca. alle 5 Minuten. Der Abstand war mir nicht so wichtig, ich fing an mich zu entspannen. Ich tastete nochmal nach dem Muttermund. Was 2 Stunden vorher noch tastbar war, war nun weg, ich konnte keinen Gebärmutterhals mehr tasten und freute mich darüber. Marcus kam dann mit dem Telefon und gab mir Christine. Diese fragte nach den Wehen und sagte dann, ich solle mich lieber nicht zu spät melden. Ich war bis ca. 23:30 Uhr in der Wanne, bin dann raus und ein bisschen rumgelaufen, wir wollten noch den Pool vorbereiten. Haben dann alles angeschlossen und einlaufen lassen, das dauerte nur 10 Minuten. Das Wasser hätte noch einen Tick wärmer sein können, war aber ok. Dann habe ich den vorbereiteten Stoffbeutel mit den 3kg Meersalz ins Wasser gelassen. Marcus hat noch eine Salzkristall Lampe aufgestellt. Das Licht war dadurch herrlich gedämpft. Es war ziemlich dunkel, genau richtig zum Entspannen. Die Wehen wurden stärker, aber mit meiner Hypnobirthing Atmung dennoch überhaupt nicht schmerzhaft, nicht mal unangenehm. Ich atmete ganz intensiv, stützte mich während der Wehen immer auf den Wickeltisch. Es war toll, ich hatte total das Gefühl aktiv an der Geburt zu arbeiten.
Dann war fast alles vorbereitet, Marcus machte zum Glück einen ruhigen und besonnenen Eindruck, auch wenn ich wusste, dass er total müde war und auch aufgeregt. Es war ja das erste Mal, dass er von Anfang an dabei war und die Erlebnisreise Hausgeburt war natürlich auch aufregend. Auf jeden Fall war ich total ruhig und freute mich unendlich auf die Geburt. Gegen 0 Uhr riefen wir Christine an, dass sie losfahren soll. Sie kam eine halbe Stunde später, ich hatte mittlerweile einen Bikini an und ca alle 2-3 Minuten Wehen. Christine checkte erstmal die Situation, schaute die Wohnung und den Pool an und nach einem sehr kurzen Gespräch im Wohnzimmer und kurzem Herztöne abhören ging ich in den Pool und sie blieb im Wohnzimmer. Marcus hatte ihr eine Doku im Fernsehen angemacht. Er tigerte immer zwischen mir und ihr hin und her, saß auch lange im Flur vor dem Kinderzimmer und machte eine Menge Fotos. Ich hing über dem Poolrand und schwitzte vor mich hin. Konzentrierte mich aufs Atmen. Im Hintergrund lief die Hypnobirthing Regenbogen Entspannung, die Affirmationen und die normale Entspannung. Das dudelte so im Hintergrund und erinnerte mich zwischendrin immer wieder an die richtige Atmung. Das klappte prima. Dann etwas später fühlte ich nochmal den Muttermund und tastete so etwas wie eine Erhebung, fühlte sich fast an wie der Gebärmutterhals. Ich schob plötzlich Panik, dass sich doch noch gar nichts getan hatte und der Gebärmutterhals nur so weit hinten war, dass ich ihn um 23 Uhr nicht tasten konnte. Im Nachhinein war klar, das ich den letzten Saum des Muttermundes getastet hatte. Ich dachte dann, dass es auch egal sei, da ich ja keine Schmerzen hatte.
Unser großer Sohn Liam schlief währenddessen recht ruhig im Ehebett. Zwischendrin muckelte er immer mal wieder und wollte seinen Nuckel, da er merkte, dass er allein im Bett war. Als es in die heiße Phase ging, war er aber im Tiefschlaf.
Dann gegen 2:30 Uhr hatte ich vom Kopf her während der Wehen das Gefühl ganz vorsichtig schieben zu wollen. Es war überhaupt nicht der krasse Pressdrang, den ich von Liam kannte. Das Gefühl, nicht ich presste, sondern es presste mich. Also atmete ich nach unten und schob ganz zart mit. Als nächstes sagte ich Marcus, er solle mit der Kamera kommen, weil ich mitschieben wollte. Christine rief also die 2. Hebi an, nachdem sie mein OK dafür hatte. 3 oder 4 total entspannte Wehen (ich atmete einfach nur etwas kürzer aber dafür tiefer) später sagte ich, dass der Kopf da sei. Dabei spürte ich beim Kopfaustritt ganz kurz ein minimales Brennen, als offensichtlich die alte Naht von der Geburtsverletzung von Liam wieder aufging. Dass selbst diese offensichtliche Verletzung keine Schmerzen verursachte, zeigt auch, wie gut die Atem-Methode funktionierte, wenn man bedenkt, an was für einer Stelle das Gewebe dort reißt.
Ich fühlte die ganze Zeit den Kopf, vom Ausgang bis zum kompletten Austritt, er war so unglaublich weich mit ganz kurzen Haaren. Dann in der Wehenpause setzte ich mich hin, damit die Kamera den Rest besser filmen konnte. Durch die Dunkelheit war es sowieso sehr schwierig. Ich war ganz ruhig, ganz bei mir und dem Kleinen. Ich hielt sein rechtes winziges Öhrchen in der Hand und sagte das auch. Marcus konnte es gar nicht glauben, dass es schon so weit war. Bei der ersten Geburt war ich unglaublich laut und er kam auch erst während der Presswehen, das muss übel gewesen sein. Diesmal war nicht einmal ein Stöhnen zu hören, es war einfach nicht nötig! Er dachte eigentlich ich irre mich, bis er sah, dass tatsächlich der Kopf zu sehen war.
Ich hatte etwa eine halbe Minute um zu realisieren, dass nun gleich unser Baby da sei. Dann atmete ich nochmal nach unten und nahm im Wasser unser Kind entgegen. Für einen kurzen Moment hielt ich das Universum in meinen Händen und die Zeit stand still. Etwas so unglaubliches habe ich noch nie erlebt. Nichts kann die Gefühle in Worte fassen, die bei einer solchen Geburt in einem vorgehen!
Ich hielt ihn unter Wasser noch kurz fest um zu schauen, ob ich die Nabelschnur abwickeln muss, aber alles war in Ordnung. Dann hob ich ihn aus dem Wasser und nahm ihn hoch. Die Nabelschnur war gerade lang genug, um ihn auf meine Brust zu legen. Da er noch einen Moment brauchte, um anzukommen, pustete ich ihm mehrmals ins Gesicht, dann rubbelten wir seinen Rücken. Die Hebi kam rüber und wollte gleich kaltes Wasser für ihn. Das muss er gehört haben, denn plötzlich hustete er und schrie dann kurz. Da war er also, mein kleiner Tommy. 2:44 Uhr war er da. 3800g, 35 cm Kopfumfang und 50 cm groß.

Ich fühlte mich unsterblich.
Eingemummelt in mehreren Mullwindeln ließen wir die Nabelschnur noch auspulsieren und klemmten sie dann mit dem Nabelschnur Ring ab. Ich durchtrennte sie. Diesmal fiel es mir nicht schwer, ich wusste, unser Band würde immer bestehen.

Mein Mann nahm ihn dann in ein vorgewärmtes riesiges flauschiges rotes Handtuch und ging mit ihm ins Wohnzimmer. Ich gebar im Stehen noch die Plazenta in meine Hände. Diese hoben wir wie schon bei Liam für das Babybäumchen auf. Das war schon gekauft (Eine gelbe duftende Mimose, die jetzt zum Zeitpunkt der Geburt wunderschön blüht mit winzigen puscheligen gelben Kügelchen) und sogar das Loch schon gebuddelt. Alles wartete.
Ich hatte die Verletzung schon gefühlt, obwohl ich nichts davon spürte und auch nichts geschwollen war. Ich trocknete mich ab und huschte zu meinen beiden Jungs auf die Couch und ließ mich nähen. Mit ein bisschen kühlen vorher fast nicht zu spüren.
Dann nahm ich mein Baby und wir kuschelten bis 5 Uhr. Die Hebis verabschiedeten sich nach dem Papierkram und Tommy und ich schliefen selig noch auf der Couch, während mein Mann zu Liam ins Bett krabbelte. Ich schlief etwa eine Stunde, wachte dann mit knurrendem Magen auf. Außerdem war die Zeit zu kostbar um zu schlafen. Eine halbe Stunde beobachtete ich Tommy beim Schlafen. Dann stand ich auf und besorgte etwas zu Essen, aß dann ganz genüsslich einen Grießpudding und kuschelte mich wieder zu ihm. Gegen 7 wachten auch die beiden anderen Jungs auf und Liam begrüßte mit riesengroßen Kulleraugen seinen kleinen Bruder.
Ich konnte mir kaum vorstellen, wie es sein würde seine Liebe so aufzuteilen, aber sie hat sich noch einmal so vervielfacht durch meinen kleinen Tommy, dass ich mein Glück kaum fassen kann. Was vor der Geburt schon feststand und jetzt noch einmal eine neue Perspektive bekommen hat: wir sind auf keinen Fall komplett. Tommy ist nun 10 Tage alt und ich kann nicht genug von ihm bekommen. Ich mag ihn kaum mal hinlegen, um zur Toilette zu gehen, ich muss ihn immer bei mir haben. Ich hab nicht gewusst, dass man jemanden so unendlich lieb haben kann. Ich bin soooo glücklich und dankbar für diese unkomplizierte und wunderschöne Geburt.
Nachts hatten wir noch meine Eltern angerufen. Meine Mom wusste von der Hausgeburt nichts, da ich sie nicht beunruhigen wollte und auch Diskussionen vermeiden wollte. Mittlerweile erzählt sie allen ganz stolz davon. Noch bevor ich am Telefon etwas sagen konnte mauzte Tommy ins Telefon. Da war sie sprachlos. Das war süß. Morgens informierten wir die Familie, alle waren von unserer Story von den Socken, aber ganz begeistert. Ich habe von meiner ganzen Familie sehr viel Unterstützung erhalten, besonders aber von meinen Eltern. Liam ist ein unglaublicher großer Bruder mit seinen fast 2 Jahren. Er küsst Tommy und streichelt ihn, ist besorgt, wenn er weint und kümmert sich unglaublich liebevoll und fürsorglich um ihn. Keine Spur von Eifersucht, im Gegenteil. Tommy soll überall dabei sein. Es läuft zu Viert einfach perfekt. Sogar das Stillen klappt diesmal. Ich kann einfach nicht fassen, dass es dieses Mal alles so ist, wie es ist.
