Alleingeburt im Erzgebirge

öffentliches Forum

Moderator: Hausgeburtsforum

Benutzeravatar
sanssouci
Beiträge: 975
Registriert: Mo 23. Apr 2012, 13:17
Wohnort: da, wo das Erzgebirge noch flach ist

Alleingeburt im Erzgebirge

Beitragvon sanssouci » Mi 9. Mai 2012, 10:37

Ich kopiere aus dem Luxus-Privatgeburt-Forum hierher:


Kurz zur Vorgeschichte:
Unser ältester Sohn wurde vor sieben Jahren geboren. Die Wehen hielt ich (incl. der ersten Presswehen) für Senkwehen/Vorwehen. Die paar Stunden aushaltbare Schmerzen habe ich alleine zu Hause verschlafen, "verbadet" und dann veratmet. Bis mein Mann kam. Aber da waren es dann schon sehr bald Presswehen. Auss irgendeinem Grund habe ich darauf bestanden, dass er mich in´s KH fährt (ambulante Geburt geplant). Die halbe Stunde Kreißsaal und der danach folgende nächtlich stationäre Aufenthalt OHNE Rooming-in hat mir gereicht. Ich wollte nach Hause!!! Aber ich durfte nichteinmal mein gesundes, termingerechtgeborenes Kind aus dem Glaskasten (Wärmebettchen) nehmen um ihm ein Abendlied zu singen (was er doch aber jeden Abend schon kannte ....) Getrennt von meinem Kind - DAS sollte mir NIE wieder passieren. Sobald ich zu Hause war stand der Entschluss fest: Mein nächstes Kind bekomme ich zu Hause!!! Monatelang habe ich überlegt, WO und WIE ich zu Hause gebären möchte. Es war eine schöne Vorfreude!!!

Die zweite Schwangerschaft ließ auf sich warten. Aber dann hat sich das Glück gleich doppelt angemeldet. HAUSGEBURT?? Klar, dacht ich - wo ist der Unterschid ob ich nun ein oder zwei Kinder gebären werde. Hab mich auf die Suche gemacht und recherchiert. Aber die Ausbeute zu Zwillingshausgeburten war seeeehr mager. Wir haben keine Hebamme gefunden, die Hausgeburten bei Zwillingen begleitet hätte - vielleicht hätten wir auch intensiver suchen können/müssen. Der Chefin vom hiesigen Geburtenhaus juckte es in den Fingern, aber getraut hat sie sich nicht - vor allem weil Kind II oben in Querlage lag. Und dann haben sich die Kinder bei 33+x für Ihre Geburt angemeldet. Durch konsequentes Liegen haben wir das noch bis in die 35. Schwangerschaftswoche hinauszögern können, aber weiter ging es nicht. Allerding haben wir mal wieder die Wehen zu Hause ausgehalten und sind erst "auf den letzten Drücker" in die Landeshauptstadt gefahren. Ankunft im KH und 30 Minuten später waren beide Kinder spontan entbunden. Bei Kind I sollte ich mal pressen, obwohl ich gar keine dollen Wehen spürte, aber tatsächlich kam das Kind bei ein bischen Mitpressen "fast von alleine". Kind II wurde "manuell geholt" Die Ärztin griff nach der Geburt rein und suchte den Fuß, während zwei Hebammen von extern versuchten das Kind zu fixieren, damit es nicht quer runterrutscht. Zum damaligen Zeitpunkt empfand ich das als völlig o.k. Kind II ging es nicht sehr gut - brauchte nach 1 Minute Warten Hilfe zum ersten Atemzug und danach auch noch ein bischen weiter. Die Kinder hatten einige div. Anpassungsschwierigkeiten, aber nach 9 Tagen im Familienzimmer sind wir nach Hause.

Und dann wurde ich zum dritten mal schwanger. Fest stand für mich: Wenn es nur ein Kind ist - dann HAUSGEBURT! Mein Weihnachtswunsch war das Buch "L uxus- P rivatgeburt" Und vielen Dank!!!! Das hat mich bestärkt - ich bin kein Exot, nur weil ich mein Kind zu Hause gebären möchte. Ich habe mich nun viel belesen und mich irgenwann hier angemeldet um auch Fragen stellen zu können. Und mehr und mehr ging mir ein Licht auf, dass ich noch nichteinmal eine Hebamme brauche um mein Kind zu gebären. ICH bin die Mutter und ICH leiste die "Arbeit" und dazu bedarf es keine ("übergriffige") Hebamme, die mir sagt wann ich was zu tun oder zu lassen habe, oder die mich auf meinen Geräuschpegel oder mein Vokabular (was ich dennoch als gesittet empfinde) hinweist. Die Erfahrungen der vergangenen Geburten haben es mir doch gezeigt, dass ich in der Lage bin Kinder zu gebären.

ALLEINGEBURT:
Unser Kind lag lange in BEL. Die Hebamme, die uns betreut meinte, dass sie unter diesen Umständen KEINE Geburt macht - das wäre Ärztesache. Aber es wäre eh ihre erste Hausgeburt gewesen, nachdem sie erst vor eineinhalb Jahren im Geburtenhaus eingestiegen ist. Ich dachte, macht nichts - dann kann sie mit uns lernen wie toll eine Hausgeburt ist. Aber das sie BEL gar nicht entbinden würde fand ich schade. Auch die Aussage, dass sie sich nicht in die Küche setzt und Kaffetrinkt während ich ALLEINE im Bad mein Kind gebäre. Summa summarum haben wir uns entschiede, dann lieber ganz auf Hebamme zu verzichten. Ab diesem Zeitpunkt begann die Information rund um das Thema Alleingeburt. Fachbücher, Berichte, aufbauende Literatur, Videos, ... und da danke ich Euch allen hier, für Eure Antworten und Beiträge!!

Ich hatte die letzten Wochen der Schwangerschaft mit vorzeitigen (schmerzhaften) und nicht-Muttermundwirksamen Wehen zu kämpfen und lag viel auf der Couch. Am Sonntagfrüh bin ich mit den Zwillingen aufgestanden, habe sie versorgt, die Brötchen für die kommende Woche gebacken, das Fleisch für den Sonntagsbraten zubereitet, Tisch gedeckt, Mittag weiter vorbereitet und mit den Kindern gespielt. Da dachte ich schon: OH! AH! DAS war jetzt wohl etwas viel! Beim Frühstück holte sich mein Mann dann eine Uhr um sich jede Wehe ansagen zu lassen (schließlich wollte er auch wissen wann und wie die Wehen sind - er wollte so aktiv am gesamten Geburtsverlauf teilnehmen, wie es ihm als Vater möglich ist) Vormittags habe ich mit den Kindern noch gebastelt und mich dann hingelegt. Musste schon hin und wieder Wehen veratmen.

Vor dem Mittag wurden sie dann weniger, aber zum Mittag dann schlagartig WEHEN! (12.00 /12.30 Uhr) Ich wollte in die Wanne. Entweder das entspannt mich, oder das Kind kommt. Egal was, aber beide Aussichten sagten mir sehr zu. Mein Mann legte sich mit den Kindern hin, und kam ein viertel Stunde später zu mir ins Bad. (13.45 Uhr) Er schaute mich an und meinte: "Na - Kaffetrinken werden wir wohl zu sechst!" bussi. Unsere Babysitterin war leider nicht erreichbar ... aber das war für mich in dem Moment nebensächlich. Ich hatte zu tun, die doch schmerzhaften Wehen irgendwie zu überstehen. Und ich lobe mir die positive Erinnerungsverzerrung des Menschen - schon jetzt sind die Schmerzen nur noch schemenhaft in der Erinnerung! Ich wollte wissen, wie weit der MuMu wäre, konnte aber nichts richtig ertasten - habe meinen Mann gebeten, der dann meinte: vollständig eröffnet und Köpfchen tastbar. Mal in der Rückenlage/Sitzposition und mal in der Kniehocke wartete ich auf ein Fortschreiten. Aber scheinbar tat sich grad nichts weiter. Nur die Wehenabstände verkürzten sich zunehmend - was nicht weniger schmerzhaft wurde (übrigens hatte ich die gesamte Zeit sehr stechende, Menstruationskrampfähnliche Schmerzen im unteren Unterbauch - und nur dort! Nicht eine Wehe, bei der ich das Gefühl hatte, die "läuft" über den (ganzen) Bauch. Sonst zog es nirgendwo, aber ich hatte eher das Gefühl wie bei einer Appendizitis die Beine zusammen zupressen und anwinkeln zu müssen :-? Und bin noch auf der Suche nach einer Erklärung für diese, für mich untypischen wehen(schmerzen) :-? :oops: )

Irgendwann hängte ich mich an meinen Mann und wartete zwei-drei Wehen relativ senkrecht. Und dass war dann das Startsignal. Plötzlich schob der Bauch das erstemal mit, die Fruchtblase platzte - das grünliche Fruchtwasser trat aus und ich brauchte noch drei Presswehen, bis ich eh nicht mehr anders konnte und unser Kind gebar. (15.00 Uhr) Auf den Beckenrand gestützt - Erst kam der Kopf mit einer Hand an der Wange und dann "der Rest". Die eigentliche Austreibungsphase war schnell - und ich muss sagen, dass Odent das treffend mit "Fötus-Ausscheide-Reflex" bezeichnet. In dieser Situation konnte ich gar nicht anders. Ich nahm mein Kind vor und war erstaunt wie blau es war - machte auch keine Anstalten jetzt atmen zu wollen, war dafür z.T. mit grünlichem Schleim und Mykonium überzogen. Es hing relativ schlaff auf mir, ohne aktive Körperbewegungen. Ein kleiner Schreckmoment - aber dann setzten mütterliche Instinkte ein. Ich versuchte nach einer knappen Miunte mein Kind zu animieren zu atmen, wohl wissend, das eine pulsierende Nabelschnur mir Zeit lässt. Nase krabbel und zwicken brachte nichts. Anpusten hat auch nicht "gestört". Rückenreiben, ... eben körperliche Reize setzen. Ich saugte daraufhin über die kindliche Nase etwas ab und pustete nochmals leicht ins Gesicht. Und war in diesen Momenten doch erstaunlich ruhig. Und dann versuchte unser Kind sowas ähnliches wie Schleimabhusten / auswürgen und eine Art Geräusch abzugeben. *bravo* langsam und schrittweise kämpfte sich unser Kind die Lunge frei - so zumindest mutete es uns an. Und dann trat es aktiv ins Leben. Begann mit den ersten tieferen Atemzügen, die es nun das ganze Leben lang begleiten werden.

Der große Bruder kam, nachdem das Baby in der Wanne war, aber bevor sie anfing zu atmen. Für ihn war alles was passierte richtig und gut. Wartete lediglich ungeduldig, ob er nun eine Schwester oder einen Bruder bekommen hatte und war zufrieden, als er einen Blick zwischen die Beine werfen durfte um das Geschlecht bestätigt zu bekommen ;-) Er hat dann noch die verantwortungsvolle Aufgabe übernommen und Füße und Zehen, sowie Hände und Finger zu zählen. Und nun weiß der gesamte Kindergarten, das unser Baby zu Hause ohne Hebamme in der Badewanne geboren wurde und ER nachgeschaut hat und alles i.O. ist :heartbeat:

15 bis 20 Minuten nach der Geburt wachte dann die erste von unseren Zwillingen auf. Mein Mann holte sie ins Bad, aber sie fand das gar nicht lustig, dass da jemand an "ihrer" Brust lag und saugte. OT: "MEINE Mama!!!" Und das bekam ich dann noch öfter zu hören - sie wandte sich ab und verzog sich in eine Ecke vom Bad. Die zweite Schwester kam kurz darauf - schaute und brauchte auch etwas Zeit zu verstehen, dass Mama grad nicht kuscheln kann. Aber das war nur ein temporärer Zustand - einen Tag später treten sie "ihre" Brust ab, damit das Baby-Geschwisterchen trinken kann. Und niemand und nichts darf an unserer Kind kommen ausser Mama und dei übrige Kernfamilie.

Die Plazenta wollte ich aus praktischen Gründen auch in der Badewanne gebären und mein Kind solange noch nicht abnabeln. Zu einer Lotusgeburt konnten wir uns nicht ganz durchringen, weil uns die "Vorteile" einfach noch nicht ganz klar waren, aber mein Kind mit Nabelschnur und Plazenta als Einheit zu gebären und zu halten hätte ich schon gewollte. Die Nabelschnur war rel. kurz, reichte so, dass ich das Kind an die Brust legen konnte, aber dann war sie schon fast etwas straff über dem Schambein. Eindreiviertel Stunden verbrachte ich so in der Wanne - dann konnte ich nicht mehr sitzen - und eine Lagevariation war mir irgendwie nur schwer möglich. Wir entschieden und doch jetzt schon abzunabeln. Im Nachhinein muss ich sagen leider ... aber alles leichte ziehen, pressen, schnauben, Druck im Bauchraum aufbauen brachten nichts um die Plazenta zu gebären. Offensichtlich kann ich mich mit Kind im Arm nicht auf eine weitere Geburt konzentrieren :-?
Wir nabelten ab, ließen das Wasser raus und ich hockte mich, zum wiederholten male hin. Ich stand auf, sezte mich ... aber irgendwie wollte die Plazenta nicht so wie ich - doch dann kam sie (ca. 17.50 Uhr) und unser Sohn bekam große Augen. Das war wohl komischer für ihn als das das Baby nicht atmete hihi .

Und nun halte ich dankbar ein weiteres Wunder Mensch und Leben in meinen Armen und an meiner Brust (übrigens ein Saug-Weltmeister-Wunder). Familienplanung: Mein Mann sagt, er verschont mich mit Nachfragen die nächsten vier Wochen hihi aber wenn es um unsere Wünsche ginge, würde ich gerne Zwillingsjungs - und die selbstverständlich auch zu Hause. Vielleicht auch, um mich zu versöhnen mit den KH-Geburten ... Diese Geburt war: kurz, schmerzhaft, bestärkend, liebevoll, befreiend, GENIAL!
*04/04 amb. KH / *06/08 KH 35. SSW/ *06/08 KH 35. SSW/ *04/11 gepl. Alleingeb./ *12/12 s.c./ *08/16 HBAC ... ab jetzt zu siebent ...

Niveau ist keine Gesichtscreme und Stil ist nicht der obere Teil des Besen. (irgendwo gelesen im www)

Benutzeravatar
die eule
Beiträge: 5275
Registriert: Sa 21. Apr 2012, 13:01
Wohnort: L.E.

Re: Alleingeburt im Erzgebirge

Beitragvon die eule » Mi 9. Mai 2012, 10:48

:applaus: schöner bericht und großartig gemacht! klein-f. ist ne ganz süße zarte :herzen:
*7/2010* die Große, HG
*6/2014* der Wilde, AG
*11/2017* die Verrückte, HG

Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute; seht euch an, wohin uns die Normalen gebracht haben.
- George Bernard Shaw -

Sommerkind
Beiträge: 403
Registriert: Di 1. Mai 2012, 08:10

Re: Alleingeburt im Erzgebirge

Beitragvon Sommerkind » Mi 9. Mai 2012, 11:21

Toller Bericht! Vielen DANKE :blume: :herzen: :wolke:
Julimädchen 2010 bei der Hebamme
Junijunge 2012 HG in der Wanne

Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom

m@nu

Re: Alleingeburt im Erzgebirge

Beitragvon m@nu » Fr 11. Mai 2012, 04:02

Hach,ich könnte den Bericht Hoch u runter lesen :)

owaki
Beiträge: 321
Registriert: Di 1. Mai 2012, 21:37
Wohnort: Elsass, Frankreich

Re: Alleingeburt im Erzgebirge

Beitragvon owaki » Fr 11. Mai 2012, 17:33

Total schön! :princess:
Drama-Queen *9/06 (HG), Hans Dampf *7/08 (AG), Beobachter *5/10 (AG), Liese *4/12 (AG), Knutschbacke *2/15 (AG) und Kumpelchen 9/16 (AG)

Furcht tut nichts Gutes. Darum muss man frei und mutig in allen Dingen sein und fest stehen. M. Luther[/size]

http://www.geburt-in-eigenregie.de

Sonnenblume23
Beiträge: 1906
Registriert: Mi 2. Mai 2012, 14:00

Re: Alleingeburt im Erzgebirge

Beitragvon Sonnenblume23 » Fr 11. Mai 2012, 17:46

Wow ! Ich bewundere dich für deinen Mut. Ich hätte diese Ruhe einfach nicht.
Liebe Grüße
Sonne mit 10 Kindern an der Hand und 5 im Herzen

ehemaliges Mitglied 2

Re: Alleingeburt im Erzgebirge

Beitragvon ehemaliges Mitglied 2 » Fr 11. Mai 2012, 18:10

Schööööön!! :herzen: :wolke: :flagge:

Benutzeravatar
Nyaah
Beiträge: 1532
Registriert: Fr 1. Jun 2012, 20:28

Re: Alleingeburt im Erzgebirge

Beitragvon Nyaah » Sa 25. Aug 2012, 12:29

Wow!!! :herzen: Toll das du ruhig geblieben bist!! :hearts:
Bild
Bild
HG 2012
HG 2014

Benutzeravatar
weib1969h
Beiträge: 6846
Registriert: Di 1. Mai 2012, 07:21
Wohnort: Hannover

Re: Alleingeburt im Erzgebirge

Beitragvon weib1969h » Sa 25. Aug 2012, 12:43

:clap: :herzen: :flagge:
Yvonne
Hummelin 11/2012 AG Strahlekeks 09/2010 HG Traumsohn 02/2008 HG
Wunschtochter 12/93 KH Wunschtochter 08/92 KH Kurzglück 07/14+12/15 HG 09/20 :candle:


Zurück zu „Hausgeburtsberichte“

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 11 Gäste