Novemberkind - Hausgeburt mit Ende im Krankenhaus

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Thilda
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Novemberkind - Hausgeburt mit Ende im Krankenhaus

Beitragvon Thilda » Di 11. Dez 2012, 11:47

Heute ist das Novemberkind zwei Wochen alt. So richtig sich das auch anfühlt, so unrealistisch ist es auch. Dieser wunderschöne kleine Junge ist mein Baby, aus meinem Bauch! Letzte Nacht hat er mich ein bischen auf Trab gehalten und jetzt liegt er neben mir auf dem Sofa und schläft tief und fest. Ich bin so glücklich! Und immer wieder fast genauso verunsichert. Aber es wird! Mir geht es stetig besser und wir meistern das schon!

Es war ein wahnsinniges Erlebnis diese Geburt! Er ließ ja auch auf sich warten!
Während dessen kam mir das alles nicht so schlimm vor, aber im Nachhinein war ich schon irgendwie der Welt entrückt, fremdbestimmt - und musste das verarbeiten. Auch dass sich mein Körper so verschoben hat und sich erst mal wieder alles wieder an Ort und Stelle bewegen muss, das hätte ich nicht so eingeschätzt, ebenso wenig wie die Schmerzen nach der Geburt.

Am Dienstag vor zwei Wochen ist er also zur Welt gekommen. So langsam verblassen die Erinnerungen und ich wusste lange nicht so recht, ob ich es aufschreiben soll, oder nicht.

Ich kann mich an manches, bzw. das meiste, nur durch einen Schleier erinnern, gerade was die Zeit Zuhause betrifft liegt vieles für mich im Dunklen, das Gefühl für Zeit nicht vorhanden.

In der Nacht von Freitag auf Samstag fingen regelmäßige Wehen an. Um drei Uhr morgens habe ich A., meine Hebamme, angerufen, die Wehen kamen alle 5 bis 10 Minuten und waren 30 bis 40 Sekunden lang. A. meinte am Telefon ich sollte versuchen mich noch so viel wie möglich auszuruhen, wenn möglich zu schlafen, die Wehen seien noch nicht stark genug. Nach dem Telefonat wurden die Wehen wieder weniger, richtig schlafen konnte ich aber nicht mehr, es war ja auch alles aufregend. Voller Vorfreude, bald ist das Baby da! - Das zog sich so hin, bis Sonntagnacht...

Ich hatte die ganze Zeit Wehen, aber nicht genügend und schon gar nicht so richtig Muttermundswirksam. Aber sie reichten aus um mich nicht mehr schlafen zu lassen. In der Nacht von Sonntag auf Montag wurden die Wehen wieder mehr und A. kam dann zu uns, der Muttermund war geöffnet, aber noch nicht genügend. Als es hell wurde, wurden die Wehen wieder weniger. Ich versuchte alles, zog mich zurück, beschwor mein Kind und meinen Körper. Wir besprachen uns mit A. und ich sagte, dass das Baby an diesem Tag kommen müsste, noch eine vierte durchwachte Nacht hielte ich nicht aus.

Am Montag um ca. 17 Uhr platzte die Fruchtblase und alle dachten noch, dass es jetzt das gewesen wäre und das Kind bald kommen würde. Endlich tat sich was, so richtig!
B., die zweite Hebamme, kam und danach ging für mich alles bergab. Die Situation veränderte sich komplett. A, meine vertraute Hebamme, zog sich zum Ausruhen zurück und mein Mann sich auch und ich war alleine unter der Fuchtel Bs. Das war nicht gut! Ich kam mit B nicht klar. Sie war mir zu dominant, sagte mir, was ich tun sollte, roch nicht gut und nervte mich damit, dass sie da war. Außerdem verließen mich meine Kräfte, ich konnte einfach nicht mehr. Die schlaflosen Nächte, die endlosen Wehen, die ich nur im Stehen oder Gehen ertragen konnte, das wenige Essen, - es ging nicht mehr! Außerdem stellte B fest, dass der Muttermund hart (bei der Untersuchung von A „butterweich“) und immernoch nicht ganz geöffnet war.

Nach kurzer Rücksprache mit A ging es ins Krankenhaus. Leider keine so richtige „Verlegung in Ruhe“, schließlich hatte ich die ganze Zeit Presswehen. Die Fahrt war nicht lang, trotzdem!
Im Krankenhaus angekommen zog sich auch noch alles. Eine junge hektische Ärztin, der bei „abgebrochener Hausgeburt“ die Nerven anfingen zu flattern, die unbedingt einen Ultraschall machen wollte und die sich glorreich bei dem Gewicht verrechnete, um 1000g und mir vorschlug einen Kaiserschnitt zu machen, da die Geburt ja schon lange dauerte! Ich weiß, dass es kurz verlockte. Verantwortung an der Garderobe abgeben, Kaiserschnitt, Kind da, fertig! Die Verlockung war kurz, ich hatte den ersten Teil des Marathons nicht umsonst hinter mich gebracht!

Irgendwann kam endlich die Anästhesistin (nach zwei Stunden?) und ohne Wehenhemmer wurde die PDA gelegt. Der Muttermund war zwischenzeitlich ganz geöffnet und ich hatte eigentlich eine Wehe nach der anderen, die ich lautstark durch den Kreißsaal brüllte. Ich beamte mich weg, war irgendwo anders, saß ganz still, A neben mir - dachte an meinen Mann, der mir sonst immer sagt „Denk an Italien“. Mein armer Mann, der so mit mir mitgelitten hat, vielleicht sogar mehr als ich. Der so stark war und mir nach der Geburt trotzdem gesagt hat, dass er in manchen Situationen lieber mehr Mann gewesen wäre. Mein wunderbarer Mann, der mir dann, als die PDA saß und ich im Bett lag, Brot mit Honig schmierte und mich mit mundgerechten Stückchen fütterte, damit ich wieder ein wenig zu Kräften kam.
Und dann lagen wir beiden da, im schummrigen Kreißsaal. Ich konnte noch ein wenig schlafen und sah zwischen halbgeöffneten Lidern die Hebammenschülern und die Hebamme an meinem Bett sitzen. Irgendwann ging die Geburt weiter und die Pause war vorbei. Um meinem rechten Arm schlackerte meine Strickjacke, die ich aufgrund der Braunüle nicht ganz ausziehen konnte. Über das Kopfteil des Bettes gebeut, presste ich so sehr ich konnte, wusste ich doch, dass ich mich beeilen musste, damit die Kraft nicht nachließ. Das hat mir im Nachhinein am meisten zu Schaffen gemacht, das Gefühl meinen kleinen Jungen rausgeprügelt zu haben. Die Alternative Kaiserschnitt war für mich keine.
Und tatsächlich merkte ich, wie sich mein Baby langsam nach draußen schob. Mein Mann, der mir in den Wehenpausen das Gesicht mit einem nassem Lappen abwischte, bei dem ich mich entschuldigte, dass ich ihn nicht ansehen konnte, weil ich sonst „aus meinem Film“ raus kam. Die beiden Hebammen, die mich bei jeder Wehe anfeuerten, über die mein Mann später sagte, sie wären auch wunderbare Fußballtrainer geworden.
Ich merkte, dass plötzlich auch wieder die Ärztin da war. Kurze Zeit später war der Kopf geboren, eine Wehe später auch der Rest des Körpers, Unterdruck im Bauch.
Mein Baby war auf der Welt! Unser Kind! Ganz dunkel sah er aus, meine Worte waren „Der sieht ja aus wie ein kleiner Afrikaner!“.
Ein großes Kind, 4720 g, 57 cm lang, KU 38 cm.

Danach der Ärger mit der Plazenta. Hat sie doch laut Lehrbuch eine Stunde Zeit zu kommen. Kam sie nicht! Wunderte mich das? Nein! Die Wehen hatte ich tagelang, ewig. Warum sollte die Plazenta sich beeilen? Die Ärztin schaute immer mal wieder rein „Ist die Plazenta jetzt da?“. Wollten die schon wieder die Blase mittels Katheter entleeren, wollte ich nicht! Ich hatte zwar kein Gefühl für meine Blase, wusste ich aber, dass sie leer war. Nach einigem Hin und Her und mit der Aussicht auf eine Ausschabung nahm ich noch mal all meine Kräfte zusammen und tatsächlich, da kam der Mutterkuchen, riesig und in einem Stück (dachten sie, ein wenig Eihaut ging Tage später zu Hause noch ab).
Nach der Untersuchung durch die Ärztin eröffnete sich mir, dass ich einen Dammriss zweiten Grades hätte. Während sie nähte lag mein Novemberkind auf meiner Brust und wurde das erste Mal gestillt, es klappte so selbstverständlich, dass ich es selbst kaum glauben konnte.

Den Rest der Nacht verbrachten wir im Krankenhaus. Ich wäre am liebsten nach Hause gegangen, aber mein Mann erklärte mich für verrückt. Vermutlich wäre ich noch nicht mal die Treppe hochgekommen. Mein Kreislauf war wirklich nicht mehr der stabilste und die PDA steckte mir noch in den Knochen. Im Krankenhausbett mit meinem Kind auf der Brust, neben mir mein schlafender Mann, meine erste Nacht als Mutter.

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anniba
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Re: Novemberkind - Hausgeburt mit Ende im Krankenhaus

Beitragvon anniba » Di 11. Dez 2012, 12:49

Marathon trifft es gut! Das war ja echte Schwerarbeit die du da geleistet hast.
Ich finde das sehr beeindruckend, dass du nach all der Anstrengung noch so Herrin der Situation warst, dass du das Personal an Blödsinn hindern konntest.

Alles, alles Gute dir und dem kleinen Riesen! :blume: :blume:

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brummel
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Re: Novemberkind - Hausgeburt mit Ende im Krankenhaus

Beitragvon brummel » Di 11. Dez 2012, 13:03

Thilda, auch wenn du etwas mit der Geburt haderst, du hast das wirklich großartig gemacht!!!
Ich glaube ich hätte nicht so lange durchgehalten.

Herzlichen Glückwunsch zu deinem großen kleinen Prinzen! :herzen:
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strophenlilly
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Re: Novemberkind - Hausgeburt mit Ende im Krankenhaus

Beitragvon strophenlilly » Di 11. Dez 2012, 13:56

Liebe Thilda,

ganz herzliche Glückwünsche zur Geburt eures Sohnes!

Wenn ich deine Zeilen so lese, da denke ich an die Geburt meiner ersten Tochter zurück - es gibt doch einige Parallelen.
Ich hoffe, du kannst mit der Zeit annehmen, dass alles gut ist, so wie es ist und dass DU übermenschliches geleistet hast. Wirklich - du hast ganz hart gearbeitet. Dafür bist du stolz auf dich, ja?!!

Alles Liebe für euch.

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Re: Novemberkind - Hausgeburt mit Ende im Krankenhaus

Beitragvon die eule » Di 11. Dez 2012, 14:28

das war tatsächlich ein kraftakt! herzlichen glückwunsch :blume:. es tut mir leid für dich, dass es zuhause nicht geklappt hat. meinst du, dass es an der zweiten hebamme lag, mit der du nicht so gut konntest (hat dich auch total rausgebracht)?
*7/2010* die Große, HG
*6/2014* der Wilde, AG
*11/2017* die Verrückte, HG

Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute; seht euch an, wohin uns die Normalen gebracht haben.
- George Bernard Shaw -

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Ardilla
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Re: Novemberkind - Hausgeburt mit Ende im Krankenhaus

Beitragvon Ardilla » Di 11. Dez 2012, 19:12

Erst mal herzlichen Glückwunsch zu deinem Baby :blume: !!! Du hast echt Schwerstarbeit geleistet und kannst stolz auf dich sein :clap: auch wenn es nicht die Geburt war, die du dir gewünscht hast
Julitochter * 2001 (ambulante Beleggeburt)
Februarkerlchen * 2005 (Hausgeburt mit KS beendet)
Julimädchen * 2011 (Hausgeburt)

Antonia

Re: Novemberkind - Hausgeburt mit Ende im Krankenhaus

Beitragvon Antonia » Di 11. Dez 2012, 19:24

Ich schließe mich allen anderen an! Du hast das super gemacht! Aus eigener Erfahrung weiß ich ja nun, dass Geburten eine ganz eigene Dynamik entwickeln können, auch mal in eine Richtung, die man sich nicht so gedacht hatte... sadnew
Wahrscheinlich wirst du noch brauchen, um das alles zu verarbeiten, aber dass du so stark geblieben bist, wird dir sicher helfen! :herzen:

Adriane

Re: Novemberkind - Hausgeburt mit Ende im Krankenhaus

Beitragvon Adriane » Mi 12. Dez 2012, 10:28

Herzlichen Glückwunsch zur Geburt! :blume:
Ich finde ebenfalls, dass Du sie sehr gut gemeistert hast.
Alles Gute!

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Re: Novemberkind - Hausgeburt mit Ende im Krankenhaus

Beitragvon Glühwürmchen » Mi 12. Dez 2012, 10:43

Herzlichen Glückwunsch :blume: !

Das hast du ganz wunderbar gemacht und noch soviel Stärke im Krankenhaus bewiesen!!! :clap:

Kuschelt schön und genießt die ersten Wochen zusammen :wolke:
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mia
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Re: Novemberkind - Hausgeburt mit Ende im Krankenhaus

Beitragvon mia » Do 20. Dez 2012, 19:19

hallo thilda,

ich gratuliere dir zu deinem kleinen Großen. da hast du meinen ja noch getoppt (4100g)... es tut mir leid, dass du nicht entspannt zu hause bleiben konntest, aber ich hoffe, dass jetzt alles schön und kuschelig ist. ich wünsche euch allen schöne weihnachtstage. viele grüße von mia
Julimädchen, Juli 2003, KG
der kleine Süßling, Oktober 2012, HG

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