Die ganze Geschichte fängt damit an, dass ich am Donnerstag den 20. 06. 2013 erfahre, dass meine Vermieter, welche unter uns wohnen, das kommenden Wochenende in den Urlaub fahren und erst Sonntag wieder zurück kommen.
„Prima“ denke ich, „Sturmfreie Bude! Bitte Kindchen komm dieses Wochenende.“
Ich bin in der 39. SSW und ersehne die Geburt unseres ersten Kindes nun wirklich herbei. Mir geht es ja, was die Schwangerschaft betrifft wirklich gut, aber die Hitze der vergangenen Woche macht nun auch mir zu schaffen.
Der Schleimpfropf hat sich bereits die letzten Tage mehr oder weniger verabschiedet und auch so bin ich vollends bereit, dass sich das Mäuschen auf den Weg machen könnte.
Am Freitag Nachmittag beschließe ich noch einmal mit meinen Mann wandern zu gehen, um das ganze vielleicht ein wenig anzustupsen... Es zieht hin und wieder in der Leiste und leicht im Rücken, aber das kenne ich bereits, denn Vor/Senkwehen habe ich in den letzten Wochen zur genüge kennengelernt.
Am Samstag Morgen wache ich gegen halb vier auf, weil es komisch im Rücken zieht und zwar anders als die Tage davor. Es hört wieder auf und ich schlafe wieder ein. Doch zehn min später wachte ich erneut auf, weil es zieht. „Mensch, sind das Wehen? Hoffentlich... es wäre zu schön...“
Ich bin richtig aufgeregt, als das Ziehen sich nun auf alle fünf Minuten einpendelte. Doch da ich aus der Klinik weiß, wie häufig Erstgebärende stundenlang mit noch ineffektiven Wehen rumdümpeln, zwinge ich mich noch einmal dazu, zu schlafen und Kraft zu tanken.
Es gelingt mir auch, denn das Ziehen ist noch nicht wirklich schmerzhaft. Gegen sieben wache ich erneut auf mit nun stärker werdenden Ziehen im Rücken und in der Leiste, was so alle 5 min auftritt.
Gegen 9 Uhr rufe ich meine Hebamme J. an, um sie vorzuwarnen, damit sie ihren Tagesplan nach einer eventuell anstehenden Geburt planen könnte.
Doch die Hoffnung ist umsonst; nach meiner Putzaktion der ganzen Wohnung lassen die Wehen wieder nach und werden immer weniger. Also doch ein Fehlalarm...
Gegen Abend hat das Ziehen bis auf die üblichen Vorwehen ganz aufgehört und ich bin mehr oder weniger frustriert.
Andererseits hatbe ich mir ja gewünscht, dass die Geburt morgens beginnt, damit ich ausgeruht an die Arbeit gehen kann...Gegen 21 Uhr ruft mich eine befreundetet Hebamme S. an, (welche im Moment aus Versicherungstechnischen Gründen keine Geburtshilfe mehr anbietet) dass meine Hebamme gerade bei einer anderen Frau zur Geburt gerufen wurde und wenn es bei mir in dieser Nacht losgehen sollte, dürfte ich sie anrufen, damit sich meine Hebamme J. Noch etwas ausruhen könnte. Wehenbetreuung würde sie auf jeden Fall machen.
Aber ich kann sie entwarnen und gehe erst einmal ins Bett.
Am Sonntag morgens um 4 Uhr werde ich durch ein starkes Ziehen im Rücken und in der Leiste wach. Da ich ohnehin auf die Toilette muss, stehe ich auf und gehe ins Bad. Hier bleibe ich erst einmal, da ich starken Durchfall habe.
Nach drei bis vier Minuten kommt bereits die nächste Wehe und danach im gleichen Abstand wieder die nächste. Mir ist nun klar, diese Wehen haben eine andere Intensität als gestern, heute kommt mein Kind.Juhu!
Ich bin so glücklich und so voller Vorfreude, dass ich mich richtig über die Wehen freue, die ich bereits schön veratmen muss.
Von meinem Gepuste angelockt,kommt mein Schatz ins Bad um nach mir zu sehen und zu fragen, ob er die Hebamme rufen soll. Aber ich meine das dauert noch Stunden. Zudem komme ich ja allein super zurecht. Ich bin so unglaublich froh, einfach zu Hause bleiben zu können, mich zu bewegen, wie es mir angenehm ist. Mein Bad, mein Schlafzimmer, mein eigenes Bett....
Ich tiegerr in der Wohnung herum, und in der Wehe stützte ich mich auf den Wickeltisch oder im Vierfüßler auf s Bett (Liegen geht gar nicht und wenn ich nur an ein CTG denke wird mir ganz anders). So kann ich die Wehen prima verarbeiten, mich gut entspannen und komme gar nicht in den Kreislauf Angst Verspannung Schmerz hinein..Gegen 05:30 Uhr beschließt mein Mann den Geburtspool mit Wasser zu füllen und alles so weit vorzubereiten. Er dunkelt das Schlafzimmer ab, zündet Kerzen an, macht meine Lieblingsmusik an... Und zwischendurch massiert er mir in jeder Wehe mein Kreuzbein .( das tut so gut) Kurz darauf darf ich in den angenehm warmen Geburtspool steigen,.. und fühle mich einfach himmlisch. Die Wehen bis dahin alle 3 min. kommen im Wasser zwar nur so alle vier Minuten dafür aber immer intensiver ( und trotzdem gut auszuhalten)
Ich kann es schließlich nicht lassen und untersuche mich einmal selbst, neugierig, was sich getan hat. Doch die Ernüchterung kommt: Zervix sakral. wulstig (immerhin kürzer als die Tage davor) Muttermund Fingerkuppe einlegbar. „Na klasse, das kann ja heiter werden, wenn das erst Latenzphase ist,“ denke ich mir. Da sich der Durchfall wieder meldet, steige ich wieder aus dem Becken und gehe ins Bad. Das sitzen auf der Toilette ist auch relativ angenehm.Doch nun wird mir auf einmal schlecht und ich muss mich tüchtig übergeben. In der nächsten halben Stunde noch vier mal. Nun will ich doch eine Hebamme bei mir haben, die auch einmal nach den Herztönen schaut. Ich spüre mein Kindchen zwar immer wieder, aber trotzdem …
So ruft mein Mann gegen 06:30 Uhr S. an,welche gegen 7:00.Uhr bei uns ist. J. wollen wir nach vergangener Nacht mit der anderen Geburt noch schlafen lassen.Zudem bin ich davon überzeugt, dass das Ganze noch Stunden dauert und ich wünsche mir lieber eine ausgeruhte Hebamme...
S. ist ein Schatz. Sie bringt mir ein Schutzengellicht mit, veratmet mit mir die Wehen, massiert mir abwechselnd mit meinem Schatz den Rücken und hörte einmal die Herztöne des Babys ab,welche kräftig und schnell schlagen. Es tud so gut, dass sie mit ihrer fröhlichen Art da ist. Sie gibt mir so das Vertrauen, dass alles gut ist und ich alles richtig mache.
Um 7.30 Uhr untersucht sie mich einmal. Die Zervix ist dünnsäumig verstrichen und der MM 2-3 cm eröffnet. Ich bin so glücklich, als ich das höre. Es geht also doch voran.
S. ruft J. an, klärt sie über den aktuellen Stand auf und verabredete mit ihr, dass sie um spätestens 10:Uhr kommen solle.
Zwischen Bad und Geburtspool pendelnd veratme ich meine Wehen, die teilweise alle 2 min kommen. Aber ich fühle mich so geborgen und sicher, das ich sie wirklich gut aushalte...
Um kurz nach neun kommt auf einmal eine sehr kräftige Wehe, in der ich auf einmal einen unglaublichen Druck nach unten verspüre „ S. Es drückt so!“rufe ich und denke im selben Moment „Verdammt ein Sternkucker ( da man bei diesen Kindern den Druck viel eher verspürt)
S. untersucht.mich erneut: MM auf Saum eröffnet. Köpfchen in BM ausrotiert, Fruchtblase steht. "Dein Kind hat es wohl eilig." meint sie
und verständigt sofort J., dass sie so schnell wie möglich kommen solle.
Die nun kommenden Wehen veratme ich laut auf A tönend, was mir sehr gut hilft meinen Beckenboden so locker wie möglich zu lassen. Zwischendurch fühle ich mit der Hand und spüre wie das Köpfchen immer ein kleines Bisschen tiefer rutscht. Was für ein Gefühl!
Zwanzig Minuten später kommt endlich „meine Hebamme“ welche mich mit den Worten. „Du meine Güte, du legst vielleicht ein Tempo vor“ begrüßt. Sie war die Strecke wofür sie normalerweise knapp 40 min braucht in 20 min hergerast...
Sie hört nach den Herztönen, welche bestens sind und dann sitzen alle um mein Geburtspool und mich herum und warten.
Atmen, pusten, Tönen, tönen, tönen... mein Körper macht einfach und ich lasse ihn arbeiten. Am Höhepunkt einer Wehe schieben meine Bauchmuskeln ganz von alleine mit und ich spüre, wie das Köpfchen sich immer mehr Richtung Ausgang bewegt.
Atmen, Tönen Tönen, Verflixt tud das weh, Mein Mann fragt mich, ganz zerknirscht, ob ich noch einmal ein Kind möchte. Natürlich!! Das ganze ist zwar unglaublich heftig, jedoch wunderschön.
und ich habe es ja bald geschafft. Meine einzige Angst bis zuletzt ist, dass ich doch noch verlegt werden müsste. Aber auf meine Frage hin meint meine Hebamme: „Dich verlege ich nicht einmal mehr ins Wohnzimmer!!!“ was mich unglaublich beruhigt.
Meine Wehen kommen teilweise nur alle 5 min. was mir so gut tud, so kann ich mich in den Pausen erholen und den Klängen der leisen Musik lauschen (Air von Bach, Pachelbelkanon...) In der Klinik hätte ich sicher einen Wehentropf bekommen.
Die Herztöne sind weiterhin bestens und die Hebammen lassen mich machen.
Während der ganzen Zeit turne ich in meinem Pool herum. Sitzen, Hocken, Vierfüßler...
Mein Mann ist die ganze Zeit bei mir, wäscht mir mit einem kalten Lappen das Gesicht. Küsst mich, sagt mir liebe Worte.( Es tut so gut, das du da bist...)
Nun steht das Köpfchen direkt vor dem Ausgang und ist in der Wehe bereits zu sehe . Ich fühle, es hat Haare!
Tönen, tönen tönen, Es drückt, es drückt!
Diese Dehnung! Ich habe solche Angst, dass etwas kaput geht. Das Köpfchen steht nun in der Wehenpause sichtbar und rutscht nicht mehr zurück. Es fehlt nur noch ein kleiner Ruck und es ist da. In der Nächsten Wehe schiebt sich das Köpfchen unerbittlich weiter, Ich habe meine Hand an dem Kopf und spüre, dass er bereits fast geboren und die Haut des Damms wie ganz dünnes Papier darüber gespannt ist, aber nicht zurückweichen will. Ich rufe zu meiner Hebamme: „Es reißt, es reißt, bitte J. hilf mir doch!“ Sie ist ganz ruhig und sagt zu mir „ I. das reißt nicht! Mach den Mund ganz weit auf, töne auf AAAA, gut so. Mach die Beine etwas mehr zusammen, das nimmt die Spannung, sehr gut. Und jetzt schieb in der Wehenpause ein klein Bisschen mit. Super! Die Augen und die Nase sehe ich schon, jetzt ist der Mund zu sehen. Das Köpfchen ist da!
Oh endlich, endlich es ist vorbei. Was für ein Gefühl wenn der Kopf bereits geboren ist und der Körper noch in einem... unbeschreiblich.
Und dann um 11:32 Uhr, noch eine Wehe und mein Kind schwimmt auf einmal im Wasser.
Ich hebe es zu mir aus dem Wasser , die Hebamme entwickelt einmal die Nabelschnur und ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll vor Glück.
Mein Kind, mein Kind du bist endlich da, welch ein süßes zerknautschtes Gesichtchen!
Mein Mäuschen, mein Wichtelchen wir haben es endlich geschafft.
Es öffnet die Augen und schaut mich mit großen dunklen Augen an, es weint nicht sondern muckelt nur ein Bisschen herum. Was ist es denn eigentlich ? (Wir hatten es uns nicht sagen lassen, und mein anfängliches Mädchen – Gefühl hatte ich irgendwann verworfen, nachdem jeder, wirklich jeder, inklusiv mein Mann, meinte, dass es ein Junge wird. Somit hatte ich nun auch mit einem Jungen gerechnet.) Mein erster Gedanke ist, als ich im Halbdunkel auf das Genital meines Kindes schaue „ Ein Hoden ohne Schniedel“ Aber da höre ich schon die erfreuten Ausrufe meines Mannes und der Hebammen: „Ein Mädchen, wie schön!“
Ich bin so überrascht, dass ich es kaum glauben kann.
Wie wundervoll ein kleines Mädchen. Welche Frau wünscht sich keine Mädchen?
Nachdem die Nabelschnur auspulsiert hat kommt nach einem kurzen Drücken meinerseits die Plazenta vollständig. Mein Mann schneidet die Nabelschnur durch und ich klettere, nachdem mein Mann die kleine im Arm hat, aus dem Pool und kuschele mich in das von den Hebammen vorbereitete Bett. J. Fragt mich, ob sie gleich nach Geburtsverletzungen schauen soll, oder ob ich noch warten möchte. Aber ich will es gleich wissen. Sie schaut ganz vorsichtig nach. Zwei kleine Einrisse in den Schamlippen, die nicht genäht werden müsse, aber Damm und Scheide sind intakt.
Oh welch ein Glück. Ich kann es einfach nicht glauben, dass dieser Damm heilgeblieben ist.
Das erste Anlegen klappt wunderbar und die kleine saugt aus vollen Zügen. Ich liege selig im Bett und stille meine Maus während meine Hebammen alles soweit aufräumen. Nach ca einer Stunde ausgiebigen Stillen wird mein kleiner Liebling direkt neben mir im Bett gewogen und gemessen.
3220g, 51 cm, KU 35 cm. Die U1 ist absolut unauffällig. Ein wundervolles gesundes Kind.
Nachdem ich einmal gemeinesam mit J. Aufgestanden und zur Toilette gegangen bin. Lassen uns die Hebammen um 15:00 Uhr allein. Wir drei kuscheln zu Hause im eigenen Bett und bestaunen unser ruhig und zufrieden schlafendes kleines Wunder, welches immer noch ohne Kleidung auf meinem Bauch liegt.
Ein Traum! Nach dieser Geburt weiß ich, eine Geburt kann dass schönste aber auch das schlimmste sein, was es gibt. Traum oder Trauma!
Wie Sex. Das Herrlichste oder Vergewaltigung!
Und ich bin so dankbar, dass ich eine so wundervolle Geburt erleben durfte.
Nach diesem Erlebnis fällt es mir umso schwerer noch einmal drei Wochen in diese Uni Klinik gehen zu müssen und nach dortigem Standard meine Examensgeburt abzuleisten. Ich bin einfach nicht mehr gewillt an diesen teilweise wie eine Massenvergewaltigung anmutenden Geburten, wenn auch passiv und kopfschüttelnd, teilzunehmen. Ich wünsche mir so sehr, dass sich das ändert und die Frauen wenigstens die Chance haben, ein so wundervolles, beglückendes und bestärkendes Erlebnis zu haben.
Auch noch nach nun 6 Wochen habe ich das Gefühl im siebten Himmel zu schweben und bin der Schöpfung aber vor allem meinen Hebammen so unglaublich dankbar. Danke liebe J. dass du trotz hohen Versicherungsprämien und Rufbereitschaft, bei eigenen vier Kindern, die dich brauchen, Hausgeburtshilfe machst. Danke, dass du mir schon während der Schwangerschaft das Vertrauen in die eigene Kraft wieder gegeben und jegliche Angst, welche sich doch wärend dieser Ausbildung angesammelt hat, genommen hast, Diese Arbeit,wie du sie leistest war das, was mich dazu bewogen hat, diesen Beruf zu erlernen
Hebamme, nur noch von einem Beruf zu übertreffen: dem einer Mutter!