Kurz vorab:
1 Geburt im KH - 42+0 SSW - Einleitung - Wehentropf - Wehenhemmer - PDA - MUMU vollständig eröffnet nach 5 Std. - Kind dreht sich nicht ins Becken - Geburtsstillstand nach 12 Std. trotz Wehentropf auf volle Pulle - Herztöne sind nicht optimal - Kaiserschnitt geplant - letztendlich durch kristellern und Powerpressen mit Dammschnitt doch spontan geboren - Baby gesund APGAR 9/10/10
Ich habe lange an der Geburt zu knabbern gehabt und mich deshalb dieses mal für eine Hausgeburt entschieden.
Also jetzt zum Bericht:
Es ist ET+11. Ich bin müde vom Warten. Physisch und Psychisch bin ich an meiner Grenze und weine viel. Mein Mann muss sich meine Heulerei anhören und versucht zu trösten und mich wieder aufzubauen. Ich kann nachts kaum noch schlafen, da ich nicht abschalten kann. Die Kleine turnt unentwegt und trägt dazu bei, dass meine Gedanken Karussell fahren. Wird die gewünschte Hausgeburt noch durchgeführt werden können, wenn Madam sich immer noch nicht rausbequemt? Ist wohl einfach zu schön in Mamas Bauch. Laut FA ist sie auch noch super versorgt. Die Plazenta sieht nach ihrer Aussage fast „jungfräulich“ aus. Und das CTG ist ohne Befund. Die Maus wird auf ca. 3600 g geschätzt. Mein GMH ist fast verstrichen und der MM bei ca. 3 cm. Sind doch alles tolle Ausgangswerte. Andere brauchen schmerzhafte Stunden bis sie bei solchen Werten sind. Und trotzdem tut sich nichts. Wir haben soweit alles probiert: Das Haus ist gewienert (sogar die Fenster geputzt, obwohl ich mir vorgenommen hatte, es nicht zu tun), wir gehen fast jeden abend schön spazieren, warme Bäder, Nelkenöltampon, „Kuscheln“. Bis auf unregelmäßige Wehen am Abend und ordentliches Ziehen nach unten hat es nicht viel gebracht.
Doch heute, 18.05.2013, wird der kleinen Dame definitiv der Mietvertag gekündigt und das fristlos. Ich habe morgens um 11 Uhr einen Termin bei der Hebamme um CTG zu schreiben und alles weitere zu besprechen, denn ich will den berühmten Wehen-Cocktail trinken und so vielleicht den letzten kleinen Schubs geben. Meine Hebi Katharina hat sogar netterweise alle Zutaten, bis auf den Aprikosensaft, besorgt. Die Zeit bei ihr motiviert mich wieder und auch das Wissen, dass sie hinter mir stehen und auch bis Tag 14 warten würden um die Hausgeburt mit mir zu machen. Glücklicherweise hat die andere HG-Patienten zwei Tage vorher entbunden und so haben meine Hebammen auch den Kopf für mich frei. CTG ist unauffällig, alles im grünen Bereich. Sie guckt noch nach dem MM und „dehnt“ etwas, was aber nicht wirklich schmerzhaft ist. Ich bin jetzt bei 4-5 cm. Ich erhalte die „Anweisung“ nach dem ich nach Hause gekommen bin und der geplanten Einkauf vor dem Pfingstwochenende erledigt ist, den Cocktail zu trinken. Um ca. 15 Uhr ist es dann soweit. Unser Sohn schläft und ich genehmige mir in kleinen Schlucken und Minutenabständen ein Trinkglas voll mit der leckeren Mischung, dazu kaue ich etwas Brot. Der Geruch und der ölige Geschmack vom Rizinus sind mir wieder ein Graus, aber irgendwann habe ich es geschafft und alles ist im Magen. Jetzt hoffe ich nur, dass es auch drin bleibt und seine Wirkung tut. Brav folgen wir den weiteren Anweisungen unsere Hebamme und versuchen ein Nickerchen zu machen. Mir wird jedoch immer schlechter und ich habe das Gefühl erbrechen zu müssen. Ich versuche alles um das Zeug bei mir zu behalten, damit das ganze nicht so wie bei bei meinem Sohn endet (damals erbrach ich den Cocktail nämlich sofort und so zeigte sich auch keine Wirkung), aber keine Chance ich muss mich nach einer Stunde übergeben. Mein Mann kann gerade noch so den Eimer holen.
Da die andere Hebamme, Andrea, um 18 Uhr vorbeischauen will um zu gucken wie es mir geht und ob sich was tut, rufe ich sie an und informiere sie, dass ich die Hälfte wieder erbrochen habe und sie lieber später vorbei kommen soll, weil ich noch nichts von echten Wehen spüre. Ich bin enttäuscht, habe aber noch etwas Hoffnung, dass schon etwas vom Cocktail verdaut wurde und seine Wirkung tut, aber etwas will ich dennoch nachhelfen und mixe mir noch ein viertel Glas, welches ich trinke ohne es mit meinem Mann besprochen zu haben, denn ich habe Angst, dass er mir davon abraten wird, weil die Wirkung zu heftig werden könnte. Andrea meint, dass sie dann etwas später kommt und rät uns unseren Sohn nach dem Schlafen auf jeden fall an meine Schwägerin abzugeben, egal ob ich Wehen habe oder nicht. Wenn die Geburt nicht losgehen sollte, könnten wir ihn zur Nacht immer noch zurück holen.
Ehrlich gesagt spüre ich schon seit dem Hebammentermin Wehen und das ca. alle 10 Minuten. Diese sind aber total leicht und tut auch nicht wirklich weh, so dass ich sie definitiv nicht unter Geburtswehen verbuche, zudem ich diese Art von Wehen die letzten Wochen jedesmal nach einer MM-Untersuchung hatte und sie immer weg gegangen sind. Ich kann also nicht glauben, dass es diesmal anders sein wird.
Wir bringen Ben also zu meiner Schwägerin und packen auch Sachen für die Nacht ein. Dann sitzen wir zuhause auf dem Sofa und surfen etwas im Internet, gucken fern und kommen uns ganz komisch vor. Ich mit dem Gefühl keine Wehen und mein Kind abgegeben zu haben. Und meine arme Schwägerin mit ihre zwei Kids hat jetzt noch zusätzlichen Stress.
So gegen 19-20 Uhr kommt dann Andrea. Macht nochmal Akupunktur, hört nach den Herztönen und massiert mir den Bauch mit Wehenöl. Sie nimmt sich viel Zeit. Als sie geht ist es kurz nach 21 Uhr. Wir wollen noch einen Spaziergang machen und gehen zusammen mit ihr raus. Beim verabschieden meint sie „Das wird heute oder morgen bestimmt was“. Dieser Satz ermutigt mich wirklich sehr. Wir sollen uns bei ihr melden, wenn die Wehen so stark sind, dass ich währenddessen nicht mehr wirklich sprechen kann.
Also gehen mein Mann und ich dann mal ne Runde spazieren. Wir bleiben dabei immer auf den Straßen in der Nähe unserer Wohnung, da ich Angst habe Durchfall zu kriegen. Nach ca. 20 Minuten merke ich, dass die Wehen etwas stärker werden, aber immer noch nicht schmerzhaft. Die Abstände verringern sich auch nicht. Währenddessen telefonieren wir noch mit meiner Schwägerin und fragen wie es Ben geht und dass wir ihn zur Nacht gerne bei ihr lassen würden, da die Geburt evtl. doch losgeht und wir den Kopf dann frei haben wollen. In meinem Bauch fängt es an zu grummeln und ich will so schnell wie möglich nach Hause. Plötzlich wird mir auch noch übel. Eine Straße vor unserem Zuhause kann ich es nicht mehr halten und muss mich in die Büsche übergeben. Peinlich, aber ich kann es nicht ändern. Mein Mann wundert sich, da er ja nicht weiß, dass ich mir noch etwas von dem Cocktail genehmigt habe. Jetzt renne ich schon fast nach Hause. Auf der Straße hält mich nichts mehr. Zuhause angekommen muss ich auf die Toilette, aber Durchfall ist das nicht wirklich.
Es ist jetzt fast 23 Uhr und wir beschließen schlafen zu gehen und einfach abzuwarten. Bis auf Darmgluckern tut sich auch nicht viel. Also liegen wir im Bett und „kuscheln“ noch ein bisschen.
Ich döse sogar ein, werde aber kurz darauf von einer Wehe geweckt die ich schon als schmerzhaft bezeichnen würde. Ich stehe auf, um wieder aufs Klo zu gehen. Noch so eine Wehe. Ich lege mich wieder hin, aber das funktioniert irgendwie nicht. Liegen ist unangenehm. Ich stehe auf und bekomme eine Wehe, die ich am Schreibtisch stehend veratmen und schon leicht vertönen muss. Mein Mann will mir den Rücken massieren, ich kann es nicht ertragen. Ab dann kommen die Wehen in Abständen von ca. fünf Minuten. Sie sind schmerzhaft aber kurz, daher glaube ich immer noch nicht an Geburtswehen. Die Abstände werden immer kürzer und ich laufe laut tönend von Zimmer zu Zimmer um die Schmerzen zu verarbeiten. Um 23:45 Uhr weise ich meinen Mann an, Andrea anzurufen. Ich weiß zwar nicht ob die Geburt wirklich angefangen hat, aber sie soll kommen und gucken ob das alles so mit rechten Dingen zu geht, da die Schmerzen so stark sind. Mein Mann meint, dass wir noch ein paar Wehen abwarten und er dann anruft. Um 0:00 Uhr halte ich es nicht mehr aus, er soll sofort anrufen. Andrea verspricht, sich auf den Weg zu machen. Die Abstände werden immer kürzer aber die Wehen meiner Meinung nicht länger, ca. eine halbe Minuten dauern sie, aber ordentlich schmerzhaft. Ich halte es wirklich nur aus, wenn ich dabei laufe. Am Seil Halt suchen oder mich irgendwo abstützen geht gar nicht. Ich muss in Bewegung bleiben. Andrea ist um 0:25 Uhr da. Ich renne immer von Zimmer zu Zimmer. Informiere sie in der kurzen Wehenpause über den Stand der Dinge und renne auch schon weiter. Sie will die Herztöne checken und nach dem MM schauen. Die Herztöne hört sich schnell ab, als ich mal kurz stehen bleibe. Zum Tasten des MM kriege ich es nicht auf die Reihe mich hinzulegen. Die Wehen kommen jetzt fast ununterbrochen und ich töne, ja schreie meinen Schmerz hinaus. Ich haben einen unheimlichen Druck nach unten auf den Po. Hatte ich vorher noch über meine Nachbarin nachgedacht, die ausgerechnet um Mitternacht aus dem Urlaub wieder gekommen ist, ist mir ist mittlerweile alles egal. Trotzdem glaube ich immer noch nicht, dass ich unter Geburt stehe und frage Andrea immer wieder ob es jetzt wirklich los geht. Irgendwann versichert sie mir, dass es definitiv Geburt ist. Verrückt ich weiß. Da habe ich solche unglaublichen Schmerzen und zweifle immer noch ob es soweit ist.
Andrea und mein Mann bereiten in der Zeit alles vor. Dies aber in Rekordzeit. Um 0:35 Uhr ist der Geburtspool voll, aber ich will dort nicht rein. Als ob ich es schon vorher geahnt habe. Ich war von Anfang an nicht sicher ob ich im Wasser gebären will, obwohl ich total gerne bade.
Die Matratze ist mit Malerfolie bezogen und im Wohnzimmer vor unsere Eckcouch platziert.
Andrea bittet mich, dass ich mich auf den mitgebrachten Gebärhocker setze, damit sie endlich nach dem MM tasten kann, aber irgendwie schaffe ich es nicht, mich darauf zu setzen. Zu groß ist die Angst nicht in Bewegung zu sein. Die Wehen erreichen jetzt nochmal eine andere Dimension und ich denke, wenn das noch Stunden so weitergeht, dann überstehe ich es nicht. Ich habe einen unglaublichen Druck nach unten und Andrea beruhigt mich, dass alles ok ist und es das Köpfchen ist, welches so drückt. Ich stehe vor dem Sofa und stütze mich auf meinen Mann. Ich zittere am ganzen Körper und kann mich kaum auf den Beinen halten. Beide sagen zu mir ich soll mich in den Vierfüßler begeben, aber ich kann nicht. Andreas schafft es derweil irgendwie zu tasten, dass ich eröffnet bin und das Köpfchen schon im Becken. Endlich springt die Fruchtblase, das Fruchtwasser ist klar. Ich habe Pressdrang und beginne zu drücken. Irgendwie kommt die Anweisung dann doch endlich bei mir an und ich knie mich hin. Mit dem Oberkörper lehne ich mich auf das Sofa. Es brennt und spannt alles so unglaublich. Ich schreie immer wieder, dass es mich zerreißt. Andrea sagt mir wann ich pressen soll und das sie den Kopf sieht. Ich nehme alle meine Kraft zusammen und schiebe den Kopf bei der nächsten Wehe raus. Die Wehen tun immer noch sehr weh, aber sind irgendwie erträglicher. Bei der nächsten Wehe soll ich nochmal drücken und den Rest des Körpers raus schieben. Diese lässt dann etwas auf sich warten, aber als sie kommt gebe ich nochmal alles und dann flutscht mein kleines Mädchen um 01:00 Uhr aus mir raus. Andrea fängt sie auf und legt sie auf den Boden zwischen meine Beine. Ich drehe mich um und nehme sie zu mir hoch. Sie ist so klein und so süß und perfekt. Sie meckert sofort los und ich frage ob sie atmet. Das tut sie. Dann helfen mir Andrea und mein Mann auf die Matratze. Ich bin so froh es geschafft zu haben aber schmerzfrei bin ich nicht. Alles brennt und ich bin total verkrampft. Die Kleine liegt in Handtücher gewickelt bei mir im Arm und beschwert sich ab und an über die rasante Geburt. Sie schaut mich mit großen Augen an. Ca. 10 Minuten später presse ich nochmal und die Plazenta kommt raus. Sie ist vollständig. Die Nabelschnur ist mittlerweile auch auspulsiert und mein Mann schneidet sie durch. Parallel kommt die zweite Hebi Katharina und hat leider die Geburt verpasst. Dann schauen die Hebammen ob ich gerissen bin. Leider habe ich einen Dammriss 2. Grades und einen Labienriss, dass erklärt auch das Brennen und die Schmerzen. Ich muss genäht werden. Also nochmal alle Kräfte mobilisieren. Mit einem Gel werde ich betäubt, spüre aber trotzdem jeden Stich. Immer wieder bekomme ich starke Krämpfe in den Beinen und hat sie kaum noch still halten. Mein Mann hat in der Zeit Malin auf dem Arm und drückt meine Hand. Irgendwann ist auch das Nähen überstanden und wir ziehen ins Schlafzimmer um. Die Hebammen machen am Küchentisch den Papierkram. Dann versuchen wir die Kleine anzulegen, aber so richtig kriegt sie es noch nicht hin. Die U1 wird gemacht. Apgar 10/10/10. Alles dran und alles bestens. Sie wiegt 3800 g und ist 54 cm. Der KU beträgt 35 cm. Sie hatte aber bei Geburt eine Hand am Kopf. Ich hatte sie leichter geschätzt. Sie kommt mir so winzig vor im Vergleich zu meinem Sohn. Später dann noch ein Anlegeversuch. Malin zeigt mehr Interesse und saugt zaghaft. Wow die Nachwehen dabei sind auch nicht ohne.
Um 3:30 Uhr verabschiedet sich Andrea. Ich gehe auf Toilette. Es brennt, aber zumindest bleibt der Kreislauf stabil. Beim dritten Anlegen saugt Malin schon richtig kräftig. Katharina misst den Blutdruck. Alles ok.
Um 4:10 Uhr macht sich Katharina auf den Weg nach Hause.
Wir liegen im Bett dösen ein und sind einfach nur froh alles überstanden zu haben. Wir freuen uns Malin am Morgen ihrem großen Bruder vorstellen zu können und auf das Leben zu viert.
Von der ersten schmerzhaften Wehe bis zur Geburt sind grad mal 2 Stunden vergangen. Eine Hausgeburt zu wählen, war die beste Entscheidung, die wir treffen konnte. Mir geht’s viel besser als bei Ben damals. Endlich bin ich mit der ersten Geburt versöhnt. Ich weiß jetzt, dass ich mein Kind alleine gebären kann, wenn diese nicht eingeleitet wird und ich ans Bett gefesselt werde. Ich kann mein Baby allein aus mir raus schieben, ohne das jemand von oben drücken muss. Ich kann die Schmerzen ertragen und verarbeiten (auch wenn es eine immense Lautstärke war) ohne das ich eine PDA bekomme.