Vorab Sorry, ich konnte mich irgendwie nicht kurz fassen. 3/4 des Berichts habe ich ziemlich zeitnah nach der Geburt geschrieben, deshalb hatte ich wohl noch so viele Details im Kopf.
Der in meinem Mutterpass eingetragene ET für unsere Maus war der 5.2.2013. Nach einer unkomplizierten und fast ausschließlich hebammenbetreuten Schwangerschaft (lediglich die 3 US hat die Gyn gemacht) freuten wir uns darauf nach dem Weihnachtstrubel die letzten Besorgungen für die Babymaus, Hausgeburt und Wochenbettzeit zu machen.
Wir planten eine Wassergeburt, den Pool wollte uns unsere Hebamme leihen die noch bis zum 5. Januar im Urlaub weilte. Nach ihrer Rückkehr sollte die Rufbereitschaft beginnen.
In den 2 Wochen vor Weihnachten war ich durch eine heftige Erkältung ziemlich platt und reduzierte nach und nach alle Weihnachtsplanungen auf ein Minimum. Lediglich am 2. Weihnachtsfeiertag hatten wir Besuch im Haus zum Family Dinner.
Am 26.12. schwirre ich also durch die Wohnung, putze hier und da noch und bereite nebenbei das Essen zu . Um 18 Uhr soll die Familie antanzen. Ich habe immer mal wieder einen harten Bauch, aber nicht schmerzhaft, also mache ich zwar ab und zu ein Päuschen, denke mir aber nichts weiter dabei.
Um 17:30 Uhr klingelt es. Ja, ist klar! Meine Mutter und meine Schwester samt Nichte und Neffe stehen eine halbe Stunde zu früh auf der Matte – und aus einem unerklärlichen Grund regt mich das tierisch auf. Ich bin noch nicht fertig, mein Mann ist gerade noch dabei den Flur zu saugen und jetzt stehen die da in der Tür.
Um 18 Uhr kommen Schwiegermama und Schwager und bis ich in der Küche soweit bin sitzen die anderen alle zusammen im Wohnzimmer.
Ich koche gerne und oft (und nach Meinung meiner Gäste auch gut) aber dies ist das schlechteste Weihnachtsessen das ich je zubereitet habe. Nicht qualitativ, man kann alles essen und es ist auch geschmacklich ok, aber an jedem Gang war irgendein Detail schief gegangen was mich total ärgert.
Um 21 Uhr sitzen wir alle im Wohnzimmer und quatschen noch, ich habe schmerzlose Vorwehen.
Während meine Schwester im Bad meinen Neffen wickelte sagte ich noch wie komisch das ist, dass ich heute Abend so viel klaren, dünnen Schleim verliere.
Gegen 22:30 Uhr sind alle weg und wir entspannen auf dem Sofa. Mehr „Schleim“ kommt, ich bin mir auf einmal nicht mehr sicher ob da nicht auch Fruchtwasser abgeht. Meine Schwester hat zu Hause Testpapier also fährt mein Mann schnell zu ihr um es mir zu holen. Aber es war nicht so richtig eindeutig, auch der pH-Test nicht.
Um 0:30 Uhr gehen wir ins Bett, aber nach 5 Minuten stehe ich wieder auf. Die Wehen werden stärker und ich muss ab und zu verschnaufen. Maaaaan, ist das nervig – diese Vorwehen! Oder sind das Senkwehen? Hmmm, als Erstgebärende irgendwie keinen Plan.
Ich gehe ins Wohnzimmer, setzte mich abwechselnd auf den Pezziball und das Sofa oder laufe durch den Raum und veratme immer mehr Wehen. Gegen 2 Uhr geht mein Mann ins Bad und fragt ob alles ok ist. Ja, alles prima, nur lästige Vor- oder Senkwehen. (Hier wurde mir zufällig ganz klar dass ich mich im KH niemals hätte entspannen können. In dem Moment in dem ich meinen Mann im Flur hörte war ich mitten in einer Wehe und sie war schlagartig weg. Erst als er wieder im Schlafzimmer verschwunden war ging es weiter. Im KH hätte ich bei dem dauernden Reinkommen, untersuchen usw. wahrscheinlich einen Wehenstillstand gehabt.)
Ich versuche mich abzulenken und Informationen zu finden warum diese Vorwehen so schmerzhaft werden. Ich blätterte durch mehrere Bücher aber alle paar Sätze musste ich unterbrechen und veratmen, irgendwann sogar leise vertönen. Verflixt, was ist das?!? Wärmflasche im Rücken hilft nur bedingt. Ich bin müde, will doch schlafen. Ich schaffe es in ein paar Wehenpausen wegzudösen, dann muss ich wieder laufen. Ich versuche Vierfüßler, stehen, sitzen …
Ich renne dauernd aufs Klo, habe einen Waschlappen im Höschen denn dauernd geht noch Flüssigkeit ab, immer nur ein bisschen aber zu viel als dass ein bisschen Klopapier das aufsaugten würde.
Ich schaue in die Mappe die meine Hebi mir dagelassen hat: Eine Tabelle mit Wehenarten, wie weit dann in etwa der MuMu ist und was man machen kann. Hmmm, ich bin schon fast jede Wehe leise am tönen oder zumindest schwer am veratmen, aber ich konnte doch nicht schon so weit eröffnet sein?!
Die Stunden schleichen dahin. Um 5 Uhr ist mir klar dass ich um 8 Uhr die Vertretungshebamme anrufen werde. Ich will sie als Erstgebärende sicher nicht mitten in der Nacht wegen falsch interpretierter Vorwehen aus dem Bett klingeln, aber um 8 Uhr werde ich sie anrufen und bitten herzukommen oder mir zumindest zu sagen wie ich diese Wehen erträglicher machen kann.
Meine Gedanken fahren Achterbahn: Ich zweifele an meiner Fähigkeit die Schmerzen durchzustehen. Wenn diese Vorwehen schon so weh taten würde ich niemals die Presswehen zu Hause ohne Schmerzmittel durchstehen können. - Was wenn das richtige Wehen sind und ich in die Klinik muss - ich bin doch erst in der 35. Woche - mein Baby mir weggenommen und auf die Kinderstation gebracht wird? – Ich höre in mich hinein, meinem Baby geht es gut, sie strampelt ab und zu, ist aber sonst relativ ruhig. Ist der Traum von der Hausgeburt schon ausgeträumt?
Um 7 Uhr stelle ich mich unter die heiße Dusche. (Wir haben keine Badewanne, deshalb hatte ich mich so auf den Pool gefreut.) Das Wasser tut mir gut, die Wehen werden etwas erträglicher – bis ich aus der Dusche herauskomme. Schlagartig sind sie wieder da, mindestens so intensiv wie vorher. Ich ziehe mich an, starte eine Maschine Wäsche und wecke um 7:45 Uhr meinen Mann. Er schaut mich schlaftrunken an: Was ist los? Ich erkläre ihm dass ich in 20 Minuten die Hebamme anrufen werde und er sich anziehen soll. Entweder wird sie herkommen oder uns raten ins KH zu gehen. Er ist erstaunt, will aber erst noch etwas dösen (Hallo???? ), nach 30 Sekunden springt er aber aus dem Bett und macht sich fertig.
8:20 Uhr: Ich rufe bei der Hebamme an. Mailbox. Ich quatsche drauf, sie soll mich bitte zurückrufen.
8:55 Uhr: Immer noch nix von der Hebi gehört. Ich beziehe das Bett frisch, mit einer Lage Saugfähiger Unterlagen zwischen 2 Bettlaken.
9:10 Uhr: Ich rufe die Hebi nochmal an.
9:45 Uhr: Immer noch nix! Mein Mann fragt was wir jetzt machen, ins Krankenhaus? Auf keinen Fall, ich fühle mich gut, dem Baby geht’s gut. Ich dusche nochmal heiß.
10:00 Uhr: In der Hebi-Mappe ist auch eine Pieper Nummer, die rufe ich an. 10 Minuten später der Rückruf, endlich!
Ich schildere kurz die Situation, sie meint wenn das SSW 35 ist muss sie mich ins KH schicken. Ich sage ihr dass mein Termin zu Beginn der Schwangerschaft 2x korrigiert und die Kleine schon ein paar Mal für mind. 1 Woche reifer geschätzt wurde. Sie bietet an zu kommen damit sie mich untersucht und wir die Situation besprechen. Ok, ich bin erleichtert, füge aber noch hinzu dass die Klinik nur im Ausnahmefall eine Option für mich ist, ich fühle mich noch immer gut.
Ca. 10:45 Uhr: Die Hebi ist da!
Wir machen uns bekannt, ich schildere die vergangene Nacht und die Schwangerschaft an sich in wenigen Sätzen. Sie schaut sich den Mutterpass an, beobachtet mich wie ich einige Wehen veratme. Plötzlich fragt sie mich nach dem Datum der letzten Periode. Was?? Keine Ahnung. Steht doch da drin. Ja, an dem Datum wurde offensichtlich auch korrigiert. Hmmm, ich sage ihr wann die Kleine unserer Meinung nach gezeugt wurde, das richtige Datum der letzten Periode stellt sie auf ihrer Drehscheibe ein, schaut ungläubig. Ich bin verwirrt. Hebamme C.: „Süße, du bist in der SSW 37! Wie konnten bisher alle übersehen dass dein ET falsch berechnet wurde?“ Wir sind baff! Keine Ahnung!
Sie möchte mich untersuchen. Tastet den Bauch ab, schätzt die Kleine auf ca. 3000 g. Dann schaut sie nach dem Muttermund, ein Schwall Fruchtwasser ergießt sich auf unser Sofa. Befund: 7-8 cm!! Ich schaue sie an wie ein Auto . Was?! Meinem Mann sagen die Zentimeter gar nix, aber mein Gesichtsausdruck alles. Super gearbeitet letzte Nacht, das hat richtig was gebracht! (und ich dachte bis vor 1 Minute noch jetzt kommt: MuMu zu, das sind „nur“ starke Vorwehen) Kopf ist fest und zentriert über dem MuMu.
Einer Hausgeburt steht nichts mehr im Wege außer einer Unterschrift . Der Papierkram ist schnell erledigt, dann gehen mein Mann und Hebi zum Auto und holen ihr Hausgeburts-Notfall-Set. Bis auf ein paar Handtüchern und Laken haben wir ja noch nix da.
Die beiden präparieren unser Wohnzimmer mit Malerfolie und Laken, ich wehe fröhlich vor mich hin.
Meine größte (und im Verlauf dieser Geburt einzige) Angst dass ich ins KH muss, mir wahrscheinlich mein Baby weggenommen wird, ist weg. Ich weiß dass wir dieses Baby heute hier bekommen. Der Gedanke heute Abend zu dritt ins Bett zu gehen motiviert mich in jeder Wehe – vor allem in den schmerzhaften Übergangswehen.
Die Wehen die mir stark in den Rücken ziehen werden durch eine Wärmflasche erträglich die mir mein Mann ans Steißbein presst. Manchmal hänge ich mich an ihn und kann mich buchstäblich fallen lassen, ein beruhigendes Gefühl das mir wieder Kraft gibt.
Zwischendurch werden die Herztöne mit dem Dopton kontrolliert (insgesamt vielleicht 4x, immer nur ganz kurz. Wer braucht schon Dauer CTG (ich hatte die ganze Schwangerschaft über kein einziges)). Babys Herztöne sind top, die ganze Zeit über.
Die Übergangsphase ist voll da. C. und Mann machen Brotzeitpause in der Küche und quatschen dort eine Weile, während ich die heftiger und schmerzhafter werdenden Wehen vertöne. Es ist alle so wie ich es mir gewünscht hatte: Ruhige Normalität und viel Raum für mich
Bei der nächsten Muttermundskontrolle bin ich bis auf einen Saum eröffnet. Leider ist der Kopf der kleinen Maus ein bisschen zur Seite weggerutscht (davor war sie perfekt zentriert über dem MuMu). „Ich muss den Saum in einer Wehe am Kopf vorbei schieben“, meint die Hebi. Die Wehen sind im Liegen viel schmerzhafter (mein erster Gedanke: Wer legt sich bitte freiwillig die ganze Geburt auf den Rücken?) und das Zurückschieben des Saums ist (bis auf wenige Presswehen) mit das Schmerzhafteste an der ganzen Geburt .
Danach geht es schnell voran. Die Presswehen rollen heran, ich bin froh dass es nun endlich „losgeht“ und würde mich doch am liebsten in mein Bett verkriechen und schlafen. Der Gebärhocker ist der perfekte Platz für mich. Mein Mann sitzt auf einem Stuhl hinter mir, ich kann mich anlehnen und meine Finger in seine Oberschenkel krallen während ich presse. 2-3 Presswehen soll ich wieder im Liegen hinter mich bringen, das waren definitiv die schlimmsten (Ich erinnere mich dass ich in dem Moment dachte: „Schatz, wenn du noch ein Kind willst musst du es bekommen.“ Eine halbe Stunde nach der Geburt dachte ich aber: „Das machst du nochmal! “).
Zurück auf dem Hocker sagt C. nach einer Presswehe: „Sie hat ganz viele dunkle Haare.“ Ich wusste es, hab es immer gesagt! „Greif mal hin, du kannst ihren Kopf fühlen.“ Ich taste und bin überwältigt: „Ohhhh, ich kann sie fühlen, sie ist gleich da!“ Noch eine Wehe.
Ich sage laut: „Baby, ich will dass du jetzt da raus kommst, Mami hat keine Lust mehr zu pressen, wir wollen jetzt kuscheln !“ C. legt das Handy zurecht (es ist 15:55 Uhr) und weist meinen Mann an dass er drauf schauen soll, sobald das Baby da ist und sie „Jetzt!“ sagt. Ich habe das Gefühl das Haus zusammen zu schreien und mit 2 weiteren Presswehen ist sie da. „Jetzt!“ Es ist exakt 16 Uhr. Das wundervollste Gefühl der Welt! Mein Baby ist da und liegt in meinem Arm, schreit und schaut mit großen Augen. Die Zeit scheint still zu stehen.
Wir sind sofort verliebt, sie ist so winzig und so perfekt mit vielen dunklen Haaren, langen schmalen Fingern und dem kleinen Schmollmund.
Wir ziehen aufs Sofa um und die Hebi zieht sich erst mal zurück in die Küche, macht den Papierkram und wir bestaunen unser kleines Wunder . Ich merke auf einmal dass ich seit ca. 20 Std. nichts gegessen habe und meine Knie zittern. Mein Mann füttert mich mit den kugeligen Nussnougat Pralinen in Goldpapier die meine Mama am Vorabend mitgebracht hatte. (Danke, Mama!)
Die Nabelschnur pulsiert noch ziemlich lange, sicher 45 Minuten lang. Nach ca. 1 Stunde nabeln wir ab und die Plazenta kommt mit etwas pressen heraus (komisches Gefühl). Sie ist nicht sehr groß und hat 2 kleine Nebenplazenten die mit der Hauptplazenta verbunden sind. Faszinierend!
Ich will aufs Klo pinkeln, nehme eine Wasserflasche mit lauwarmem Wasser mit, falls es brennt. Aber nichts. Ich weiß ich bin nicht gerissen und C. bestätigt es kurz danach: Alles intakt, keine Risse, keine Schürfung. Ich fühle mich großartig: fit und wach und unversehrt.
Die kleine Maus nuckelt zum ersten Mal an der Brust und schaut mich an. Später machen wir die U1: 2260 g, 46 cm (C's bisher kleinste Hausgeburt).
Als die Hebamme sich bis zum nächsten Morgen verabschiedet sind wir auf dem Sofa eingekuschelt, die Maus schläft nackt auf meinem Bauch mit flauschigen Tüchern und wir fühlen uns einfach wunderbar – jetzt sind wir eine kleine Familie!