„Ich halte mich nicht mit Unnötigem auf“
oder der Alleingeburtsbericht vom verspäteten Pfingströslein
Nun ist sie schon 6 Wochen alt und ich schreibe jetzt erst den Bericht, weil ich lange garnicht wusste, was ich schreiben soll, weil diese Geburt so schnell ging, dass ich immer das Gefühl hatte, es gibt nichts zu erzählen... Aber lest selbst:
Wann diese Geburt wirklich begonnen hat, kann ich gar nicht genau sagen.
Am 15.5. war ich bei 38+6 noch ein letztes Mal bei der Ostheopathin, die meine Lendenwirbelsäule bereits in der Schwangerschaft zwei Mal behandelt hatte, weil sie einen Zusammenhang zwischen den Verspannungen dort und meinen langen und komplizierten Geburten sah.
Sie legte einfach nur ganz sanft ihre Hände auf meinen Körper und es fing an zu ziehen im Becken, richtig stark. Ich wusste: Nun ist das Kind im Becken angekommen, endlich ein Kind, was es sich dort schon vor der Geburt gemütlich macht und nicht erst unterdessen. Die Therapeutin meldete mir auch zurück, dass sie ein ganz starkes Kribbeln in den Händen spüre und deshalb das Gefühl habe, dass sich etwas tut.
Ab diesem Termin fingen die Wehen an, mal mehr, mal weniger regelmäßig, mal stark, mal ganz schwach. Am Pfingstmontag, den 20.5., saß ich abends in einem Konzert mit Schubert-Liedern und die Wehen wurden richtig regelmäßig, ich musste teilweise schon heimlich veratmen. Das ging auch nach dem Konzert noch ein paar Stunden so weiter, ich beschloss aber doch spät in der Nacht, nun ins Bett zu gehen. Am Morgen wachte ich völlig wehenfrei wieder auf...
Dieses Erlebnis war schon speziell, denn ich kann mich nicht an nennenswerte Vorwehen bei den anderen beiden Kindern erinnern.
Ich beschloss nun, jegliches Gewehe zu ignorieren, um nicht endgültig die Geduld zu verlieren.
Mittwoch waren wir nochmal zu viert im Schwimmbad, ich aalte mich im Babybecken im warmen Wasser und genoss den Spaß, den die beiden bei ihrem ersten Schwimmbadbesuch hatten.
Donnerstag Abend, 23.5., 40+0, haben wir, dank lieber Nachbarn, kurz entschlossen einen kleinen Ausflug in ein Restaurant gemacht. Ich wollte einfach nochmal weg, auf andere Gedanken kommen, denn bis 40+0 war ich noch nie schwanger gewesen, die anderen kamen beide bei 39+2...
24.5., die Geburt
In dieser Nacht erwachte ich um 4: 20 Uhr. Nichts besonderes, hatte ich doch die letzten Wochen unter Übelkeit und Durchfall gelitten, die mich besonders Nachts gerne heimsuchten.
Ich ging also zum Klo und da war sie, die erste Wehe. Eine kleine harmlose, sodass ich lieber nochmal ins Bett ging, das kannte ich ja schon.
Im Bett hielt es mich nicht lange, ich konnte nicht mehr liegen, dafür waren die Wehen doch zu stark.
Also doch Geburtsbeginn.
Ich stand auf und setzte mich an den PC (das habe ich bei beiden anderen Geburten auch gemacht, um mich abzulenken in der „Testphase“, ob es wirklich Geburtswehen sind). Da saß ich vielleicht 5 Minuten, dann hielt ich es nicht mehr aus.
Ich ging ins Schlafzimmer zurück und weckte meinen Mann. Da war es vielleicht so 5:15 Uhr.
Die Wehen waren jetzt deutlich und ich bat ihn die Hebamme anzurufen, einfach um sie zu informieren, dass es bei mir losgegangen ist. Kommen konnte sie nämlich nicht, denn sie war zu einem wichtigen Treffen, die Arbeit der Hebammen betreffend, unterwegs. Darüber hatte sie mich schon vorher informiert und als Vertretung meine liebe G., die mich durch die lange und schwierige Hausgeburt unseres Sohnes begleitet hatte, organisiert.
Sie hörte mich dann am Telefon eine Wehe veratmen und empfahl mir, G. Um 8:00 Uhr anzurufen.
Ich lief herum und hängte mich während der Wehen an diverse Schränke und Türrrahmen.
Insgesamt hatte ich das Gefühl, sehr gut mit der Situation zurechtzukommen, ich konnte mich auf die Wehen einlassen und meditierte immer wieder das Wort „aaaauuuuuf“, während ich nach unten atmete.
Ich bat meine Mann, noch das Bett frisch zu beziehen und den Teppich, auf dem schon R. geboren war, unter das Sofa zu klemmen, damit er nicht wegrutschte.
Draußen muhte eine Kuh nach ihrem Kalb und dieses Muhen hatte denselben Tonfall wie mein Tönen. Ich empfand es als schön, so mitten im Alltag zu gebären, während die Welt um mich herum immer heller wurde und erwachte.
Irgendwann saß ich dann auf dem Sofa und aß ein Brot, als die Sache mir anfing, komisch vorzukommen.
Ich dachte: „Falls die Wehen in der Intensität bis heute Nachmittag weitergehen, kann ich das nicht durchstehen! Hier stimmt was nicht...“ Ich rief G.an (6:00 Uhr) und bat sie, nach meinem Muttermund zu schauen. Sie hörte mich tönen und sagte: „Ich fahre jetzt los zu dir.“ Da war mir klar, die Geburt ist weiter fortgeschritten als ich mir eingestehen wollte.
Mein Mann ging wieder ins Schlafzimmer, das Bett beziehen, und ich tönte. Es ging überin Laute, die ich gut von mir kannte und die die Übergangsphase ankündigen.
Ich schickte den Mann nach einem Eimer, weil ich mich in der Übergangsphase bisher immer erbrechen musste.
Als er wiederkam, stellten wir uns auf den Teppich und ich hängte mich an seine Schultern. Ich tönte, heftig waren die Wehen, aber nicht schmerzhaft.
Plötzlich hatte ich ein Gefühl in mir wie wenn ein Luftballon voll Wasser gefüllt wird und dann platzt.
„Fruchtblase“ rief ich und mein Mann reagierte geistesgegenwärtig und zog mir die Hose herunter.
Die erste Geburt, wo ich vollständig angezogen war, ich hatte keine Lust verspürt, wieder den ganzen Tag im Nachthemd herumzulaufen...
Während die Fruchtblase sich in mir ausdehnte, hatte ich die erste sanfte Presswehe.
Die zweite war nicht mehr so sanft, aber ich spürte danach das Köpfchen ganz auf dem Beckenausgang, ganz weich. Ich tastete nach meinem Damm, um ihn zu halten und zu schützen, denn mein größter Wunsch schon vor der Geburt war, diesmal ein unverletztes Wochenbett genießen zu können.
Dann spürte ich die nächste Wehe anrollen, drückte ganz sanft und das komplette Kind schoss aus mir heraus, auf den Fußboden.
Ich starrte völlig irritiert auf das Kind, das am Boden lag und mich ganz ruhig anschaute.
Ogott, ich hatte noch gestanden und die Kleine war viel zu schnell, um mich noch eben hinzuhocken und zu glatt, um sie aufzufangen.
Mein Mann hob sie dann auf (das hat er mir hinterher erzählt, daran konnte ich mich nicht mehr erinnern) und drückte sie mir in den Arm. Auch er war erschrocken und sagte nur „Ich habe vor die gestanden, aber sie ist nach hinten rausgekommen!“
Ich drückte sie mir an die Brust, roch an ihr, strich ihr über den Rücken, schaute, ob sie atmete. Das war mir irgendwie sehr wichtig, obwohl ja klar ist, solange die Nabelschnur noch pulsiert, brauchen die Kinder noch nicht atmen.
Dann fühlte ich einmal über das Kind, ob vielleicht die Nabelschnur irgendwo herum gewickelt war. Da war keine Nabelschnur! Ich rief meinen Mann, der noch eben wenigstens meine Seite des Bettes fertig bezog (da schaute er auf die Uhr und wir rekonstruierten die Geburtszeit von 6:27 Uhr), und wir stellten fest, dass sie gerissen war.
So bin ich schnell ins Bett und habe mir das Kind auf den Bauch gelegt. Allmählich waren wir beide auch in Blut gebadet und ich schaute dem Kind auf den Bauch. Direkt am Kind war die Schnur abgerissen, kein Millimeter mehr da zum Abklemmen.
Kurz überlegten wir, ob wir den Notarzt rufen sollen, aber ich hatte ein ganz gutes Gefühl, das Kind atmete und hatte auch kurz gequäkt.
Wir beschlossen, auf G. zu warten. Die kam dann um 7:10 Uhr , ungefähr eine halbe Stunde nach unserer Tochter.
Die Blutung hörte dann bald von alleine auf, wahrscheinlich war es eine gute Idee, mir das Kind auf den Bauch zu legen, so wurde es gut komprimiert.
Das erste Anlegen klappte wirklich gut, ich war ganz begeistert, denn die anderen beiden Kinder hatten doch Stillschwierigkeiten am Anfang (es klappt auch bis heute problemlos, das ist richtig ungewohnt und ganz toll). Während diesen ersten Stillversuchen gebar ich mit Hilfe von G. Die Plazenta. DAS waren mal richtige Wehen, schmerzhafter als die ganze Geburt!
Mein Mann weckte in der zeit die großen Kinder, zog sie an und dann durften sie Baby gucken.
Es gibt keinen Menschen auf der Welt, der schon so viele Küsschen vom Bub bekommen hat wie seine kleine Schwester. Also beide Kinder fanden sie sofort toll und lieben sie immer noch.
Dann sind sie zum essen und spielen zu den Nachbarn (er wird auch Pate) gegangen.
Wir haben das Töchterlein noch gewaschen (da war einfach zuuu viel Blut) und ich war duschen, wir haben U1 (3600g, 51cm, KU 36 cm)gemacht und Formalitäten erledigt.
Als G. dann so um 9:00 Uhr weg war, haben wir schön im Bett gefrühstückt mit frischen Brötchen vom Hofladen.
L.F. Ist das erste Kind, das hier AUF dem Hof seit 20 Jahren geboren ist. Die Resonanz war rührend und überwältigend.