Bericht über meine Fehlgeburt (13. SSW)

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Tarias
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Bericht über meine Fehlgeburt (13. SSW)

Beitragvon Tarias » Fr 11. Jan 2013, 22:41

Ich war jetzt lange am überlegen, in welchem Unterforum ich diesen Bericht einstellen soll.
Da die Fruchtblase mit dem Kind dann aber letztendlich im KH gekommen ist, passt es hier am besten rein.

Zuerst einmal kurz zur Vorgeschichte: Ich ging am Samstag vor Weihnachten ins KH, weil ich die ganze Nacht Krämpfe hatte, und ich einfach wissen wollte, was mit meinem Kind los ist (damals schwanger in der 11 Woche). Ergebnis des Ultraschall: Kind hat vor zwei Wochen aufgehört zu wachsen, kein Herzschlag mehr vorhanden. Natürlich kam der Vorschlag einer Kürettierung, ich lehnte ab, und ging nach Hause, um die natürliche Fehlgeburt abzuwarten.
Grundtenor aller Leute, die ich fragte war: es dauert zwei-drei Wochen, manche Frauen berichteten von 4-6 Wochen bis zum natürlichen Abort, einer stärkeren Periode, die sich auch schon mal mehrere Tage hinziehen könne.

Wenn ich mich ausschließlich auf diverse Berichte in diesem oder anderen Foren verlassen hätte, dann wäre ich von dem tatsächlichen Geburtsverlauf völlig entsetzt gewesen.
Zum Glück warnte mich meine Hebamme vor, indem sie mir aus ihrer Erfahrung ein völlig anderes, deutlich heftigeres Szenario einer Fehlgeburt berichtete. Ich war zwar etwas unsicher, dachte aber, dass ich das trotzdem packen werde.

Drei Wochen später, nach ein paar Tagen mit zuerst leichter, dann langsam stärker werdender Schmierblutung ging ich am Mittwoch-Abend vorsorglich schon mal mit Handtüchern untergelegt und mit der dicksten Binde im Schlüpfer, die ich auftreiben konnte ins Bett.
Am Donnerstag wachte ich gegen fünf auf, und merkte schon, dass es losgegangen war. Die Gebärmutter krampfte, und mit jedem Krampf schoss ein Schwall Blut heraus.
Ich also auf die Toilette, Unterwäsche und Schlafanzug bereits völlig durchgeblutet (Bett dank Handtüchern noch gerettet). Von da ab verließ ich das Bad die nächsten drei Stunden nicht mehr.
Ich konnte nicht mal im Traum daran denken, aufzustehen, geschweige denn, mir einen Schlüpfer mit Binde anzuziehen, denn das Teil wäre binnen zwei Minuten völlig durchgeblutet gewesen.
Ich saß also auf der Toilette, und das Blut lief wie bei einem Wasserhahn. Bei jedem Gebärmutterkrampf (nicht sehr schmerzhaft, aber deutlich) kam ein noch größerer Schwall.
Ich war aber ruhig, denn meine Hebamme hatter mir genau diesen Verlauf prophezeit.
Nach einer halben Stunde kam bereits ein sehr großer, rundlicher Klumpen Gewebe, und ich dachte (irrtümlich), das könnte bereits die Fruchtblase sein, da es auch recht fest war. Ich packte das Teil in ein Handtuch und blieb weiter auf der Toilette, das Blut lief weiter wie angestochen.
Nach ca. 1 1/2 Stunden trat ein, was mir ebenfalls vorhergesagt wurde: Mein Kreislauf kollabierte.
Bevor ich ohnmächtig wurde, legte ich mich mit einem Stapel Handtücher auf den Badezimmerboden, und ging dort die nächsten 1 1/2 Stunden nicht mehr weg. Ich blutete alle Handtücher durch, mein Mann deckte mich dick zu, weil ich fast schon Schüttelfrost hatte.
Ich war immer noch ruhig, der Verlauf war mir ja glücklicherweise bekannt.
Ich strich immer wieder mit den Händen von der Gebärmutter aus nach unten, jede Mal schoss das Blut schwallweise heraus.
Nach den 1 1/2 Stunden schaffte ich es dann, mich wieder hinzusetzen, es kam dabei noch ein gut handtellergroßer Klumpen Gebärmutterschleimhaut.
Der Kreislauf stabilisierte sich ein wenig, Menne flößte mir Tee ein, und die Blutung ließ langsam nach. Ich schaffte es sogar, mich sauber zu machen, anzuziehen, und das ganze blutgetränkte Chaos in der Wanne in kaltem Wasser einzuweichen.
Dann ab auf´s Sofa, erst mal ausruhen und ein bisschen was essen.
Mein Mann versorgte die Kids, brachte die Große in den Kindergarten und kam dann wieder heim. Die Blutung lies immer weiter nach, ich musste nicht mehr alle 15 Minuten die Binde wechseln, halbstündig reichte auch schon. Ich war überzeugt, das Schlimmste geschafft zu haben.
Dann, um halb elf, zwei Stunden nach dem Ende der Schwallblutung, bekam ich hammerharte Krämpfe und gleichzeitig kollabierte mein Kreisilauf erneut.
Ich bin mir sicher, dass ich die Wehenkrämpfe im Knien ertragen hätte, aber mein Kreislauf signalisierte mir, dass jeder Zentimeter aus der Horizontalen zum sofortigen Kollaps führen wird.
Ich bin als Teenager dank niedrigem Blutdruck mehrfach ohnmächtig geworden, ich weiß also wie sich die Sekunden vor dem Kollaps anfühlen. Dieses Gefühl hatte ich jetzt fast 30 Minuten lang, dazu Wehen die ich nur noch lautstark veratmen konnte.
Nach 15 Minuten zog mein Mann mit meinem Einverständnis die Notbremse und rief den Notarzt. Nach 30 Minuten war die Notärztin und der Krankenwagen da, die Wehen wurden langsam erträglicher, der Kreislauf stabilisierte sich von "Sofortkollpas" zu "bloß nicht hinsetzen".
Mein Kreislauf machte mir echt Sorgen. Also gings mit Infusion ab in´s KH, dort wurde dann beim Ultraschall festgestellt, dass noch ein recht großes Stück durchblutetes Gewebe an der Gebärmutterwand festhing.
Ich entschied mich für die Variante eine Nacht mit Gebärmutter-unterstützender Medikation im KH zu bleiben. Die Ausschabung wurde mir zwar wieder angetragen, ich wollte es aber erst anders versuchen (ich war mir sicher, dass mein Körper es auch so schafft, er hatte ja schon so heftig dran gearbeitet).
Zwei Stunden nachdem ich eingeliefert worden war, kam dann auf der Toilette ohne jede Vorwarnung (Krämpfe, Blutung etc.) endlich doch noch die Fruchthülle, mitsamt kleiner Plazenta dran.
Jetzt, wo ich weiß, wie sie aussieht, ist mir auch klar, dass der Klumpen am frühen Morgen ein Koagel war.
Ich dachte jedoch morgens noch, dass vier Wochen nach dem Tod des Kindes sicher nicht mehr viel zu erkennen sein würde. Nun, mit der Fruchthülle in der Hand wurde ich eines anderen belehrt.
Baby wurde sicher eingepackt, und ich ruhte mich in meinem Einzelzimmer erst mal richtig aus.
Am nächsten Morgen ergab der Ultraschall dann auch, dass alles Gewebe abgegangen war, der Kreislauf war auch wieder stabil, ich durfte sofort wieder heim.
Ich war angenehm überrascht, dass kein einziger Arzt oder Pfleger auch nur andeutete, dass es vielleicht besser gewesen wäre, eine Ausschabung machen zu lassen. Ich wurde für meine Begriffe sehr respektvoll behandelt, meine Wünsche wurden vollständig respektiert. Eine unerwartete, aber gute Erfahrung.

Heute Abend haben wir unser Baby in einem wunderschönen kleinen Karton, ausgelegt mit bunter Wollle, unter dem Kirschbaum beerdigt.
Die große Tochter trug den "Sarg" voller Stolz, und sie legte noch einen Schokokeks für die lange Reise mit hinein.
Ein großes Windlicht brennt jetzt neben dem Grab, und mein Mann und ich schauen immer wieder hinaus wp-cry

Ich bin mir noch nicht sicher, welche Schlüsse ich aus diesem Erlebnis ziehe, sollte ich jemals wieder in so eine Situation kommen.
Zumindest diese Fehlgeburt war in keiner Weise mit der oft beschriebenen "stärkeren Periode" zu vergleichen, es war eine körperliche Grenzerfahrung, gegenüber der meine Lebendgeburten ein Spaziergang waren.
Ob ich es noch einmal auf einen natürlichen Abort ankommen lassen würde - ich weiß es nicht.

Danke für´s Lesen.
Bianca
HG 07/2009, HG 05/2011, AG 11/2013
Funke 08/2010 und Kelani 01/2013 fest im Herzen

Antonia

Re: Bericht über meine Fehlgeburt (13. SSW)

Beitragvon Antonia » Fr 11. Jan 2013, 22:59

wp-cry :hug: :streicheln:

Das ist der Bericht einer stillen Geburt von einer unglaublich starken Frau. :hug:
Toll, dass du das so aufschreiben konntest. Danke!

wunderbaby
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Re: Bericht über meine Fehlgeburt (13. SSW)

Beitragvon wunderbaby » Sa 12. Jan 2013, 00:55

Vielen Dank für deinen Bericht!
Mir hat beim Lesen der Blutverlust Angst gemacht. Ob ich das so lange alleine gemacht hätte?
Gut, wie du diese stille Geburt annehmen und mitmachen konntest.

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Malou
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Re: Bericht über meine Fehlgeburt (13. SSW)

Beitragvon Malou » Sa 12. Jan 2013, 01:03

:candle:

Vielen Dank fürs teilen! :hug:

Du bist wirklich eine sehr starke Frau!
„Wenn du ein Kind bekommst, darfst du eins nicht vergessen:
Dein Herz schlägt künftig außerhalb deines Körpers“
Katherine Hadley


:cap: 12.4.2010 - ambulante KH Geburt
:dreirad: 3.5.2012 - traumhafte Hausgeburt

:baby: 09/2015 - kraftvolle Alleingeburt

JulianeM
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Re: Bericht über meine Fehlgeburt (13. SSW)

Beitragvon JulianeM » Sa 12. Jan 2013, 07:34

Krass, dein Bericht! Hatte bisher auch immer nur die etwas stärker als periodenstark Schilderungen gehört. Du warst halt aber auch schon sehr weit! Ich glaube, die anderen Berichte sind dann eher so 6. Oder 7. Woche. Ich kenne noch eine aus der 17. Woche - das war einer normalen Geburt hinsichtlich Ablauf und Blutungsstärke sehr ähnlich. Ich wünsche Dir alles Gute für die weitere Verarbeitung!
Luise 12/2011, sekundäre, klinikproduzierte Sectio
Theo 08/2013, abgebrochene HG, spontan im KH
Charlotte 07/2015, Alleingeburt
Anni 05/2017, stille Geburt in der 30. SSW im KH
Benno 05/2018, spontan im KH
Fridolin, 09/2023, spontan im KH

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Peke
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Re: Bericht über meine Fehlgeburt (13. SSW)

Beitragvon Peke » Sa 12. Jan 2013, 09:03

:streicheln: wp-cry

blodau

Re: Bericht über meine Fehlgeburt (13. SSW)

Beitragvon blodau » Sa 12. Jan 2013, 09:24

:streicheln: :hug: :candle:

Unser Sternchen liegt auch unter einem Kirschbaum :rainbow:

strophenlilly
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Re: Bericht über meine Fehlgeburt (13. SSW)

Beitragvon strophenlilly » Sa 12. Jan 2013, 10:48

wp-cry wp-cry
Danke, dass du nun auch noch die Kraft aufgebracht hast, das aufzuschreiben. :hug:
Alles Liebe für euch!

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Ardilla
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Re: Bericht über meine Fehlgeburt (13. SSW)

Beitragvon Ardilla » Sa 12. Jan 2013, 12:34

:candle: danke dass du diesen Bericht geschrieben hast!
Julitochter * 2001 (ambulante Beleggeburt)
Februarkerlchen * 2005 (Hausgeburt mit KS beendet)
Julimädchen * 2011 (Hausgeburt)

Meow

Re: Bericht über meine Fehlgeburt (13. SSW)

Beitragvon Meow » Sa 12. Jan 2013, 13:46

wp-cry :candle: :hug:


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