Mammutgeburt...
Verfasst: Do 19. Jul 2012, 21:19
Hallo,
nach langem Überlegen habe ich mich entschlossen, doch einen Geburtsbericht hier zu schreiben. Es gibt zwar schon einen, aber ich schreibe ihn nochmal - jetzt, neun Jahre später ;-)
Viel Spaß beim Lesen!
LG,
Silke
39+3
Mitten im Kaufhof bekomme ich eine Wehe, die sich anders anfühlt als alle anderen vorher. Aus dem Nichts heraus weiß ich: Das ist Geburt.
Wir fahren nach Hause, ich wehe ein bisschen vor mich hin, unregelmäßig, schwach...
Zu Hause packen wir die letzten Sachen. G. rennt irgendwie hektisch durch die Wohnung und macht irgendwas, ich wehe und atme, gehe in die Wanne, wieder raus, die Abstände werden regelmäßiger.
3 Stunden nachdem die Wehen eingesetzt haben sind die Abstände bei regelmäßigen 5 Minuten, es zieht unheimlich im Rücken - auch ohne Wehe habe ich diese verdammten Rückenschmerzen. Ich rufe die Hebamme an, aber nicht auf dem Bereitschaftspieper, sondern zu Hause. Erwartungsgemäß ist der AB dran. Ich spreche drauf, dass es losgeht, ich aber noch gut zurechtkomme und mich dann wieder melde, wenn ich sie brauche.
Dann versuche ich zu schlafen, was nicht funktioniert. Wenn nur diese Schmerzen in den Wehenpausen mal weggehen würden... sie sind nur schwächer, verschwinden aber einfach nicht.
Ich stehe wieder auf, sage G. er soll sich hinlegen. Er will/muss noch irgendwas erledigen. Ich schicke ihn mit Nachdruck ins Bett, schließlich wird das noch eine Weile dauern und ich brauche ihn ausgeschlafen. Kaum ist er im Bett, schläft er auch schon.
Ich bleibe wach, gehe wieder in die Wanne.
Nichts hilft.
Keine Position macht die Schmerzen erträglicher.
Ich spüre, dass das noch keine starken Wehen sind, aber warum bin ich nie schmerzfrei?
39+4
Es ist 1 Uhr.
Ich rufe wieder meine Hebamme an. Sie ist sofort am Telefon. Ich bitte sie, zu kommen. Sie sagt, sie macht sich noch fertig und ist in ca. 1 Stunde da. Ist sie auch und untersucht mich: Portio verstrichen, Muttermund 1 cm. Ich bin enttäuscht. 5 Stunden Wehen alle 5 Minuten und dann so ein Befund. Ich fühle mich unwohl zu Hause, möchte ins Geburtshaus. Ok, wir fahren los.
So gegen 3 Uhr kommen wir im VPH Bensb*rg an. Dort in die Familienabteilung - es ist kein Zimmer frei, deswegen machen wir es uns erstmal im "Badezimmer" gemütlich, wo auch ein schmales Bett steht.
Nach dem Aufnahme-CTG verabschiedet sich meine Hebamme noch einmal. Sie geht schlafen und empfiehlt uns, das auch zu versuchen. Wir sollen sie spätestens um 7 anrufen. Es ist jetzt 4 Uhr.
MIttlerweile habe ich Durchfall und muss alle 20 Minuten aufs Klo. Ganz prima, auf dem Klo zu sitzen mit Wehen und Durchfall. Auch der Schleimpfropf geht jetzt ab. Ich fühle mich besch.... Bin müde, die Schmerzen sind weiterhin dauerhaft da, auch in der Pause und bei der Wehe stärker.
Ich töne und atme, aber nichts hilft. Auf der schmalen Liege versuchen wir irgendwie etwas Schlaf zu bekommen, was nicht klappt.
Um 6 rufen wir die Hebamme an.
Wieder CTG... Kind gehts prima. Vaginale Untersuchung ist erschütternd, aber ich habe es erwartet - 2 cm.
Meine Hebamme schlägt vor, dass ich mal in die Badewanne gehe. Ja, sehr gerne!
Das warme Wasser tut unheimlich gut. Es mindert die Schmerzen ein bisschen, aber ich spüre, dass die Wehen nicht kräftig genug sind. DIe Kraft "verpufft" irgendwo zwischen Nabel und Schambein, kein Druck nach unten, nur Schmerzen im Rücken. Alle 5 Minuten werden sie stärker, dann wieder schwächer, aber sie sind einfach immer da.
Meine Hebamme sucht im Homöopathiebuch nach einem passenden Mittel und findet keines. Zwischendurch esse ich ein Käsebrötchen.
G. sitzt am Beckenrand und schaut mir müde beim Tönen zu. Ich sage ihm wieder, er soll schlafen gehen. Er will erst nicht, dann legt er sich hin und schläft sofort ein. Ich töne weiter, kann mich nicht mehr fallenlassen, versuche es irgendwie, es geht nicht. Mein Tönen wird immer wieder zum Schreien, meine Hebamme versucht, mich wieder zu erden.
Ich kann nicht mehr.
8.30 Uhr. G. ist wieder aufgewacht und meine Hebamme untersucht mich nochmal. Immernoch 2 cm. Der Mut verlässt mich, ich will nicht mehr, ich will diese Schmerzen loswerden. Aber ich sage nichts... meine Hebamme schlägt vor, dass sie um 10 nochmal untersucht und wenn es dann immernoch 2 cm sind, wäre ein Umzug in den Kreißsaal und eine PDA vielleicht nicht so schlecht.
Oh ja, das ist ein wunderbarer Vorschlag!
Um 9:30 streiche ich die Segel. Ich will raus aus der Wanne, rüber in den Kreißsaal, ich will eine PDA!
Wir ziehen um.
Der Kreißsaal ist total wohnlich, die diensthabende Ärztin sehr sehr nett. Sie legt auch die PDA, was problemlos klappt. Und schnell bin ich schmerzfrei. Was für eine Wohltat! Das Dauer-CTG stört mich nicht im Geringsten.
G. und ich legen uns aufs Kreißbett und schlafen ein. Drei Stunden schlafen wir tief und fest.
Dann werden wir wach und man eröffnet mir, dass ich einen Wehentropf brauche, da ich kaum noch eigene Wehen habe. Meine Hebamme untersucht mich und stellt fest: 5 cm. Sie kann den Muttermund ganz locker auf 7 cm dehnen. Die Fruchtblase ist prall, sie kann das Köpfchen nicht fühlen.
Ich bekomme einen Wehentropf, von dem ich nichts bemerke.
Dann gibts essen, aber ich mag nichts essen. G. aber schon und haut ordentlich rein.
Und dann warten wir... G. geht eine rauchen. Sagt, ihm sei langweilig. Das motiviert natürlich zusätzlich.
Immer wieder wird der Tropf weiter gesteigert, immer wieder wird untersucht, es geht ganz langsam voran...
Irgendwann habe ich wieder Schmerzen und bekomme etwas von dem Medikament nachgespritzt.
Ich schlage vor, mal auf dem Flur herumzulaufen. Aufstehen geht gut, ich gehe auch mehrmals zur Toilette und kann auch Wasserlassen.
Ich wandere mit G. und dem Wehentropf und dem mobilen CTG-Funkteil auf dem Flur auf und ab und hoffe, dass es was bringt.
Im Nachbarkreißsaal schreit eine Frau. Ich bekomme Angst, flüchte in unseren Kreißsaal und will nach Hause. Was habe ich mir da angetan? Das steht mir noch bevor... meine Hebamme versucht, mich zu beruhigen, schafft es aber nicht. Innerlich zittere ich.
19 Uhr
Mein Muttermund ist 9 cm geöffnet. Das Köpfchen immernoch nicht zu tasten, weil die Fruchtblase so prall ist. Die Ärztin will die Fruchtblase aufmachen, die Hebamme nicht. Es wird eine weitere Hebamme dazugeholt. Sie besprechen die Lage. Die Ärztin erklärt mir, dass wenn es noch zwei Stunden so weitergeht ein Kaiserschnitt gemacht wird. Ich nehme das irgendwie einfach nur nüchtern zur Kenntnis.
Die andere Hebamme schlägt vor, den Wehentropf alle 10 Minuten weiter zu steigern und bei MM vollständig die Fruchtblase aufzumachen und dann schauen, was passiert.
So wirds gemacht.
19:30
MM ist ganz auf. Die Hebamme macht die Fruchtblase auf. Es kommt dick-grünes Fruchtwasser, was mich etwas erschreckt.
Sie sagt mir, ich solle aufstehen und vor dem Bett stehend mit dem Becken kreisen. Ich mache es, halte mich am Seil fest. Das CTG wird abgemacht, ich kann mich frei bewegen. Die PDA hört langsam auf zu wirken, aber das ist auch so gewollt.
Und plötzlich spüre ich, wie das Köpfchen in mir runterrutscht, ins Becken rutscht. Ich spüre es zwischen meinen Hüftknochen wie eine Melone, das fühlt sich irgendwie ganz schön krass an. Ich freue mich darüber.
Meine Hebamme kommt mit dem Hocker in den Kreißsaal, ich setze mich drauf, G. sitzt hinter mir auf dem Bett und hält mich.
Sie zieht die Vorhänge zu und macht das große Licht aus. Es ist schummrig im Kreißsaal und alles kommt mir total höhlenartig vor. Das ist gut.
Ich presse.
Ich habe keine Ahnung, wann ich eine Wehe habe, spüre sie nicht. Ich lege meine Hand auf meinen Bauch und schaue ihn an, dann weiss ich, wann ich pressen muss. Es klappt auch so ganz gut. Meine Hebamme zeigt mir einmal, wohin ich pressen soll. Ah, da hin. Gut, mach ich.
Etwas Stuhl geht mit ab. Ich finde das doof. Meine Hebamme macht es gleich weg, aber ich wünschte, es wäre nicht passiert. Trotzdem presse ich kräftig weiter. Ich halte mich an G.s Hals fest und spüre, wie er schwitzt.
Es geht in Minischritten vorwärts. Das tut verdammt weh. Ich schreie am Ende jeder Wehe. Aber nicht vor Schmerz, sondern weil es so anstrengend ist. Meine Hebamme sagt, ich soll den Atem sparen, aber ich kann das nicht. Das muss einfach raus.
Ich habe irgendwann das Gefühl, der halbe Kopf sei schon draußen, da sagt meine Hebamme, ich soll mal fühlen.
Ich fühle und bin enttäuscht - so wenig erst tastbar! Und wie komisch sich das anfühlt, gar nicht hart, sondern ganz weich und schrumpelig... Meine Hand fühlt etwas anderes als mein Beckenboden mir mitteilt - das passt nicht zusammen.
Und verdammt, es tut sooo weh! Aber ich denke mir: "Raus muss er! Also los!" und presse mit aller Kraft. Es geht trotzdem ganz langsam...
Nach jeder Wehe hört meine Hebamme die Herztöne. Sie sind gut.
Irgendwann ist der Kopf halb geboren. Es drückt irrsinnig gegen meine Klitoris, ich jammere und meine Hebamme drückt den Kopf irgendwie nach unten, es hilft aber nichts. Sie bittet mich, in die tiefe Hocke zu gehen für zwei Wehen. Das machen meine Beine kaum mit, ich will nach einer Wehe wieder auf den Hocker.
Aber es hat geholfen, der Kopf kommt endlich ums Schambein rum, ist endlich draußen. Ich atme kurz durch.
Meine Hebamme sagt: "Bei der nächsten Wehe will ich dein Kind sehen." Aber ich brauche noch zwei Wehen, bis die Schultern geboren werden, dann flutscht er aus mir raus.
21:28
Da liegt er vor mir auf den Handtüchern. Er ist riesig! Und irgendwie grau. Und protestiert kräftig.
Ich bin erleichtert, es ist geschafft. Aber ich spüre auch eine riesige Welle über mich herüberrauschen: DAS ist der Ernst des Lebens. Jetzt bist du Mutter. Da gibts jetzt kein Zurück mehr. Jetzt bist du erwachsen.
Irgendjemand hilft mir vom Hocker. Ich fasse meinen Sohn an. Bestaune die großen Hände und Füße. Ich hätte gedacht, dass er kleiner wäre... sein Kopf ist total langgezogen.
Die Hebamme fragt mich, ob ich ihn nicht zu mir nehmen will. Ich sage, dass ich mich nicht traue. Das stimmt aber eigentlich nicht so richtig. Ich weiss aber nicht genau, wie ich ihn nehmen soll, aber dann klappt es. Ich nehme ihn auf den Arm. Er schreit. Die Ärztin deckt ihn mit einem Handtuch zu.
G. setzt sich neben mich und schneidet die Nabelschnur durch.
Dann ziehen meine Hebamme und G. mich aufs Bett.
Dort kommt meine Plazenta. Auch für die muss ich ein paar Mal pressen. Sie ist so riesig wie das Kind und ganz dünn - wie ein großer Pfannkuchen. Ich berühre die Eihäute. Wow, total stabil.
Dann werden wir allein gelassen.
Ich halte meinen Sohn im Arm, G. fotografiert uns. Mein Sohn fängt an zu suchen, ich lege ihn an. Einfach so, klappt prima.
Die Hebamme kommt wieder und stellt überrascht fest, dass er schon saugt. Ich wundere mich, dass das so etwas besonderes sein soll, ist doch ganz klar irgendwie...
Als er wieder loslässt wird die U1 gemacht. Er ist wirklich groß und schwer! Wegen des grünen Fruchtwassers wird er auch gebadet.
Wir bekommen ein gepucktes Bündelchen wieder und G. packt die Sachen zusammen.
Ich gehe duschen. Meine Schamlippen sind wahnsinnig geschwollen! Aber duschen und Toilette klappt prima.
Als ich aus der Dusche komme, will ich zur Station laufen, aber die Hebamme hält mich auf und sagt mir, ich könne mich gerne ins Bett legen. Das nehme ich gerne an!
Ich bekomme meinen Sohn in den Arm gelegt und werde in unser Zimmer gerollt.
Die Schwester nimmt den Kleinen nochmal mit, er soll nochmal in Lavendel gebadet werden. G. geht mit. Ich schlafe ein.
Ich wache auf, als die drei zurückkommen. Die Schwester gibt mir das Baby. Es riecht nach Lavendel, was ich schrecklich finde!
Wir legen ihn in das kleine Bettchen neben unserem und schlafen alle drei erschöpft ein.
- - -
nach langem Überlegen habe ich mich entschlossen, doch einen Geburtsbericht hier zu schreiben. Es gibt zwar schon einen, aber ich schreibe ihn nochmal - jetzt, neun Jahre später ;-)
Viel Spaß beim Lesen!
LG,
Silke
39+3
Mitten im Kaufhof bekomme ich eine Wehe, die sich anders anfühlt als alle anderen vorher. Aus dem Nichts heraus weiß ich: Das ist Geburt.
Wir fahren nach Hause, ich wehe ein bisschen vor mich hin, unregelmäßig, schwach...
Zu Hause packen wir die letzten Sachen. G. rennt irgendwie hektisch durch die Wohnung und macht irgendwas, ich wehe und atme, gehe in die Wanne, wieder raus, die Abstände werden regelmäßiger.
3 Stunden nachdem die Wehen eingesetzt haben sind die Abstände bei regelmäßigen 5 Minuten, es zieht unheimlich im Rücken - auch ohne Wehe habe ich diese verdammten Rückenschmerzen. Ich rufe die Hebamme an, aber nicht auf dem Bereitschaftspieper, sondern zu Hause. Erwartungsgemäß ist der AB dran. Ich spreche drauf, dass es losgeht, ich aber noch gut zurechtkomme und mich dann wieder melde, wenn ich sie brauche.
Dann versuche ich zu schlafen, was nicht funktioniert. Wenn nur diese Schmerzen in den Wehenpausen mal weggehen würden... sie sind nur schwächer, verschwinden aber einfach nicht.
Ich stehe wieder auf, sage G. er soll sich hinlegen. Er will/muss noch irgendwas erledigen. Ich schicke ihn mit Nachdruck ins Bett, schließlich wird das noch eine Weile dauern und ich brauche ihn ausgeschlafen. Kaum ist er im Bett, schläft er auch schon.
Ich bleibe wach, gehe wieder in die Wanne.
Nichts hilft.
Keine Position macht die Schmerzen erträglicher.
Ich spüre, dass das noch keine starken Wehen sind, aber warum bin ich nie schmerzfrei?
39+4
Es ist 1 Uhr.
Ich rufe wieder meine Hebamme an. Sie ist sofort am Telefon. Ich bitte sie, zu kommen. Sie sagt, sie macht sich noch fertig und ist in ca. 1 Stunde da. Ist sie auch und untersucht mich: Portio verstrichen, Muttermund 1 cm. Ich bin enttäuscht. 5 Stunden Wehen alle 5 Minuten und dann so ein Befund. Ich fühle mich unwohl zu Hause, möchte ins Geburtshaus. Ok, wir fahren los.
So gegen 3 Uhr kommen wir im VPH Bensb*rg an. Dort in die Familienabteilung - es ist kein Zimmer frei, deswegen machen wir es uns erstmal im "Badezimmer" gemütlich, wo auch ein schmales Bett steht.
Nach dem Aufnahme-CTG verabschiedet sich meine Hebamme noch einmal. Sie geht schlafen und empfiehlt uns, das auch zu versuchen. Wir sollen sie spätestens um 7 anrufen. Es ist jetzt 4 Uhr.
MIttlerweile habe ich Durchfall und muss alle 20 Minuten aufs Klo. Ganz prima, auf dem Klo zu sitzen mit Wehen und Durchfall. Auch der Schleimpfropf geht jetzt ab. Ich fühle mich besch.... Bin müde, die Schmerzen sind weiterhin dauerhaft da, auch in der Pause und bei der Wehe stärker.
Ich töne und atme, aber nichts hilft. Auf der schmalen Liege versuchen wir irgendwie etwas Schlaf zu bekommen, was nicht klappt.
Um 6 rufen wir die Hebamme an.
Wieder CTG... Kind gehts prima. Vaginale Untersuchung ist erschütternd, aber ich habe es erwartet - 2 cm.
Meine Hebamme schlägt vor, dass ich mal in die Badewanne gehe. Ja, sehr gerne!
Das warme Wasser tut unheimlich gut. Es mindert die Schmerzen ein bisschen, aber ich spüre, dass die Wehen nicht kräftig genug sind. DIe Kraft "verpufft" irgendwo zwischen Nabel und Schambein, kein Druck nach unten, nur Schmerzen im Rücken. Alle 5 Minuten werden sie stärker, dann wieder schwächer, aber sie sind einfach immer da.
Meine Hebamme sucht im Homöopathiebuch nach einem passenden Mittel und findet keines. Zwischendurch esse ich ein Käsebrötchen.
G. sitzt am Beckenrand und schaut mir müde beim Tönen zu. Ich sage ihm wieder, er soll schlafen gehen. Er will erst nicht, dann legt er sich hin und schläft sofort ein. Ich töne weiter, kann mich nicht mehr fallenlassen, versuche es irgendwie, es geht nicht. Mein Tönen wird immer wieder zum Schreien, meine Hebamme versucht, mich wieder zu erden.
Ich kann nicht mehr.
8.30 Uhr. G. ist wieder aufgewacht und meine Hebamme untersucht mich nochmal. Immernoch 2 cm. Der Mut verlässt mich, ich will nicht mehr, ich will diese Schmerzen loswerden. Aber ich sage nichts... meine Hebamme schlägt vor, dass sie um 10 nochmal untersucht und wenn es dann immernoch 2 cm sind, wäre ein Umzug in den Kreißsaal und eine PDA vielleicht nicht so schlecht.
Oh ja, das ist ein wunderbarer Vorschlag!
Um 9:30 streiche ich die Segel. Ich will raus aus der Wanne, rüber in den Kreißsaal, ich will eine PDA!
Wir ziehen um.
Der Kreißsaal ist total wohnlich, die diensthabende Ärztin sehr sehr nett. Sie legt auch die PDA, was problemlos klappt. Und schnell bin ich schmerzfrei. Was für eine Wohltat! Das Dauer-CTG stört mich nicht im Geringsten.
G. und ich legen uns aufs Kreißbett und schlafen ein. Drei Stunden schlafen wir tief und fest.
Dann werden wir wach und man eröffnet mir, dass ich einen Wehentropf brauche, da ich kaum noch eigene Wehen habe. Meine Hebamme untersucht mich und stellt fest: 5 cm. Sie kann den Muttermund ganz locker auf 7 cm dehnen. Die Fruchtblase ist prall, sie kann das Köpfchen nicht fühlen.
Ich bekomme einen Wehentropf, von dem ich nichts bemerke.
Dann gibts essen, aber ich mag nichts essen. G. aber schon und haut ordentlich rein.
Und dann warten wir... G. geht eine rauchen. Sagt, ihm sei langweilig. Das motiviert natürlich zusätzlich.
Immer wieder wird der Tropf weiter gesteigert, immer wieder wird untersucht, es geht ganz langsam voran...
Irgendwann habe ich wieder Schmerzen und bekomme etwas von dem Medikament nachgespritzt.
Ich schlage vor, mal auf dem Flur herumzulaufen. Aufstehen geht gut, ich gehe auch mehrmals zur Toilette und kann auch Wasserlassen.
Ich wandere mit G. und dem Wehentropf und dem mobilen CTG-Funkteil auf dem Flur auf und ab und hoffe, dass es was bringt.
Im Nachbarkreißsaal schreit eine Frau. Ich bekomme Angst, flüchte in unseren Kreißsaal und will nach Hause. Was habe ich mir da angetan? Das steht mir noch bevor... meine Hebamme versucht, mich zu beruhigen, schafft es aber nicht. Innerlich zittere ich.
19 Uhr
Mein Muttermund ist 9 cm geöffnet. Das Köpfchen immernoch nicht zu tasten, weil die Fruchtblase so prall ist. Die Ärztin will die Fruchtblase aufmachen, die Hebamme nicht. Es wird eine weitere Hebamme dazugeholt. Sie besprechen die Lage. Die Ärztin erklärt mir, dass wenn es noch zwei Stunden so weitergeht ein Kaiserschnitt gemacht wird. Ich nehme das irgendwie einfach nur nüchtern zur Kenntnis.
Die andere Hebamme schlägt vor, den Wehentropf alle 10 Minuten weiter zu steigern und bei MM vollständig die Fruchtblase aufzumachen und dann schauen, was passiert.
So wirds gemacht.
19:30
MM ist ganz auf. Die Hebamme macht die Fruchtblase auf. Es kommt dick-grünes Fruchtwasser, was mich etwas erschreckt.
Sie sagt mir, ich solle aufstehen und vor dem Bett stehend mit dem Becken kreisen. Ich mache es, halte mich am Seil fest. Das CTG wird abgemacht, ich kann mich frei bewegen. Die PDA hört langsam auf zu wirken, aber das ist auch so gewollt.
Und plötzlich spüre ich, wie das Köpfchen in mir runterrutscht, ins Becken rutscht. Ich spüre es zwischen meinen Hüftknochen wie eine Melone, das fühlt sich irgendwie ganz schön krass an. Ich freue mich darüber.
Meine Hebamme kommt mit dem Hocker in den Kreißsaal, ich setze mich drauf, G. sitzt hinter mir auf dem Bett und hält mich.
Sie zieht die Vorhänge zu und macht das große Licht aus. Es ist schummrig im Kreißsaal und alles kommt mir total höhlenartig vor. Das ist gut.
Ich presse.
Ich habe keine Ahnung, wann ich eine Wehe habe, spüre sie nicht. Ich lege meine Hand auf meinen Bauch und schaue ihn an, dann weiss ich, wann ich pressen muss. Es klappt auch so ganz gut. Meine Hebamme zeigt mir einmal, wohin ich pressen soll. Ah, da hin. Gut, mach ich.
Etwas Stuhl geht mit ab. Ich finde das doof. Meine Hebamme macht es gleich weg, aber ich wünschte, es wäre nicht passiert. Trotzdem presse ich kräftig weiter. Ich halte mich an G.s Hals fest und spüre, wie er schwitzt.
Es geht in Minischritten vorwärts. Das tut verdammt weh. Ich schreie am Ende jeder Wehe. Aber nicht vor Schmerz, sondern weil es so anstrengend ist. Meine Hebamme sagt, ich soll den Atem sparen, aber ich kann das nicht. Das muss einfach raus.
Ich habe irgendwann das Gefühl, der halbe Kopf sei schon draußen, da sagt meine Hebamme, ich soll mal fühlen.
Ich fühle und bin enttäuscht - so wenig erst tastbar! Und wie komisch sich das anfühlt, gar nicht hart, sondern ganz weich und schrumpelig... Meine Hand fühlt etwas anderes als mein Beckenboden mir mitteilt - das passt nicht zusammen.
Und verdammt, es tut sooo weh! Aber ich denke mir: "Raus muss er! Also los!" und presse mit aller Kraft. Es geht trotzdem ganz langsam...
Nach jeder Wehe hört meine Hebamme die Herztöne. Sie sind gut.
Irgendwann ist der Kopf halb geboren. Es drückt irrsinnig gegen meine Klitoris, ich jammere und meine Hebamme drückt den Kopf irgendwie nach unten, es hilft aber nichts. Sie bittet mich, in die tiefe Hocke zu gehen für zwei Wehen. Das machen meine Beine kaum mit, ich will nach einer Wehe wieder auf den Hocker.
Aber es hat geholfen, der Kopf kommt endlich ums Schambein rum, ist endlich draußen. Ich atme kurz durch.
Meine Hebamme sagt: "Bei der nächsten Wehe will ich dein Kind sehen." Aber ich brauche noch zwei Wehen, bis die Schultern geboren werden, dann flutscht er aus mir raus.
21:28
Da liegt er vor mir auf den Handtüchern. Er ist riesig! Und irgendwie grau. Und protestiert kräftig.
Ich bin erleichtert, es ist geschafft. Aber ich spüre auch eine riesige Welle über mich herüberrauschen: DAS ist der Ernst des Lebens. Jetzt bist du Mutter. Da gibts jetzt kein Zurück mehr. Jetzt bist du erwachsen.
Irgendjemand hilft mir vom Hocker. Ich fasse meinen Sohn an. Bestaune die großen Hände und Füße. Ich hätte gedacht, dass er kleiner wäre... sein Kopf ist total langgezogen.
Die Hebamme fragt mich, ob ich ihn nicht zu mir nehmen will. Ich sage, dass ich mich nicht traue. Das stimmt aber eigentlich nicht so richtig. Ich weiss aber nicht genau, wie ich ihn nehmen soll, aber dann klappt es. Ich nehme ihn auf den Arm. Er schreit. Die Ärztin deckt ihn mit einem Handtuch zu.
G. setzt sich neben mich und schneidet die Nabelschnur durch.
Dann ziehen meine Hebamme und G. mich aufs Bett.
Dort kommt meine Plazenta. Auch für die muss ich ein paar Mal pressen. Sie ist so riesig wie das Kind und ganz dünn - wie ein großer Pfannkuchen. Ich berühre die Eihäute. Wow, total stabil.
Dann werden wir allein gelassen.
Ich halte meinen Sohn im Arm, G. fotografiert uns. Mein Sohn fängt an zu suchen, ich lege ihn an. Einfach so, klappt prima.
Die Hebamme kommt wieder und stellt überrascht fest, dass er schon saugt. Ich wundere mich, dass das so etwas besonderes sein soll, ist doch ganz klar irgendwie...
Als er wieder loslässt wird die U1 gemacht. Er ist wirklich groß und schwer! Wegen des grünen Fruchtwassers wird er auch gebadet.
Wir bekommen ein gepucktes Bündelchen wieder und G. packt die Sachen zusammen.
Ich gehe duschen. Meine Schamlippen sind wahnsinnig geschwollen! Aber duschen und Toilette klappt prima.
Als ich aus der Dusche komme, will ich zur Station laufen, aber die Hebamme hält mich auf und sagt mir, ich könne mich gerne ins Bett legen. Das nehme ich gerne an!
Ich bekomme meinen Sohn in den Arm gelegt und werde in unser Zimmer gerollt.
Die Schwester nimmt den Kleinen nochmal mit, er soll nochmal in Lavendel gebadet werden. G. geht mit. Ich schlafe ein.
Ich wache auf, als die drei zurückkommen. Die Schwester gibt mir das Baby. Es riecht nach Lavendel, was ich schrecklich finde!
Wir legen ihn in das kleine Bettchen neben unserem und schlafen alle drei erschöpft ein.
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