Ich liege im Bett, nacktes Baby auf meiner nackten Brust, mit meinen Lippen streichel ich über ein kleines, kaltes Näschen, und habe Zeit für einen Bericht.
Ich träume davon einen Blasensprung zu haben und wache auf weil es mir warm am Oberschenkel entlang sickert. Blasensprung am Morgen, irgendwas kurz vor 6. Ich geh aufs Klo, und fange vor Freude und Rührung an zu weinen. Ja, Baby, ja heute kommst du also zu uns. Wir freuen uns. Ich freue mich!
Noch während ich auf dem Klo bin, kommt A. schlaftrunken um die Ecke, und ich erkläre heute wird unsere L. auf die Welt kommen.
Fange ein bisschen an aufzuräumen, erkläre A. auch nochmal wie das ablaufen wird, dass es vllt lauter wird, usw. Die Wehen sind sofort im 5 Minuten Takt da, und ich spüre denselben Schmerz direkt über dem Schambein, den ich schon von den Vorwehen kenne. Kenne ich von A.s Geburt nicht. Ich richte meinen Altar her, zünde die Kerzen an, mache den Duft an.
Wecke Martin dann doch auf, der soll mir das Bett neu beziehen, auf dem Laken schön viel "Schmierkäse" wie A. sagt. Seine Prüfung um 13 Uhr ist Thema, aber ich hab da keinen Nerv zu. Dh eigentlich sind es zwei eine um 1 und eine um 5. Ich kann mich jetzt auch nur der Geburt hingeben.
Alles noch ganz entspannt, Wehen vorhanden, an Intensität zunehmend, und das wirklich flott. Erst lese ich A. noch vor im Vierfüßler, das geht nach drei Seiten schon nicht mehr.
Wie da meine Familie um mich herum springt, merke ich, so gehts nicht. Die Wehen tun weh, und ich kann keinen Rhythmus finden. A.s Laune sinkt auch, Hunger, müde. Also machen sie Frühstück und dann legen die beiden sich nochmal hin.
Ich allein im Wohnzimmer, die Kerzen habe ich mitgenommen, den Hocker, den Ball. Die Wehen zwingen mich in die Knie. "I honor the sensation of birth" und ich fühle mich diesem Prozess demütig hingegeben. Meine Geburtsplaylist läuft in meinem Ohr, und ich komme langsam an. Ich singe und bewege mich zur Musik. Überhaupt ist mein Bewegungsdrang massiv. Ich muss meinen ganzen Oberkörper immer wieder mitnehmen, meine Arme hochreißen. Ein zarter Stupser von innen, und ich sage "Ja, Lovis wir zwei, verbündet auf dieser Reise ans Licht". Ganz schnell wird aus dem bisschen Veratmen ein Vertönen. Und auch sehr schnell wird aus dem Vertönen ein richtiger Druck. Ich geh also wieder auf meinen Lieblingsgebärort: DAS KLO. Hier kann ich jetzt mitschieben, es kommt immer wieder auch Stuhl.
Und die Wehen werden häufiger und mehr. Ich will jetzt doch nicht mehr alleine sein. Eine Freundin ist zwar angerufen, aber die braucht noch bis halb zehn. Ich möchte, dass mir jemand sagt, dass alles ok und in Ordnung ist. Ich beschließe außerdem nach dem Muttermund zu tasten, denn das fühlt sich zwar wie Übergang an, aber was weiß ich schon vllt ist es nur Wunschdenken. Ich taste also, und spüre nur weiche Haut, kein Muttermund, wo ist der. Kopf scheint da schon zu sein aber da ist doch was im Weg. Ich schiebe meine Scheide raus?! Das muss doch noch weg.
Die Wehen treiben mir den kalten Schweiß erst auf die Stirn, dann schwitze ich überall, innerhalb von zwei Wehen bin ich klitschnass. "Das geht doch zu schnell, ich will eine Pause, wieviel ist denn überhaupt der Abstand" Ich will mich auf die Badewanne setzen, das geht aber schon nicht mehr, Kopf im Weg. Nächste Wehe und Martin sagt "40 Sekunden auseinander"
Ich setzte mich wieder aufs Klo, und es drückt und schiebt, diese Haut kommt immer weiter vor, und Martin sagt "Sind das Haare?" und da kommts mir dann auch. Ich gebäre hier wohl einen Kopf
A. ist dazu gekommen und ist etwas verunsichert, fast ängstlich "Mama, was machst du?" und ich antworte "Ich rufe die Lovis, dass die auf die Welt kommt".
In der nächsten Wehe stehe ich auf, es brennt und ich bin ja ambitioniert verletzungsfrei zu gebären. Beuge mich also vor. Meinem Mann hat seelenruhig die Kamera zur Seite gelegt. Und ich brülle statt eines lange AAAAAAhhhhs "KAAAAAMMEEEERAAAAAAA". Es tropft Blut, und irgendwie verunsichert mich das.
Sie tritt tiefer, und auch wieder ein ganzes Stück zurück. Die Wehe ist vorbei, ich setze mich wieder. Für die nächste Wehe wieder aufgestanden und vornübergebeugt. Der Kopf ist halb geboren, und ich spüre eine Ruhe. "Jaaaaa, Lovis, wir machen das ganz laaaaangsam" die tiefe Hocke fühlt sich jetzt richtig an und so warte ich auf die nächste Wehe. Irgendwie fängt sie das zappeln an, und da kommt die Wehe und der Kopf ist geboren. Kurze Zeit später der ganze Körper. Und ich nehme mein Baby hoch, in meinem Tempo, und ich bin so stolz und sie ist so wunderschön.
Pulsiert hat die Nabelschnur glaub gar nicht. Ich taste zumindest mal, und fühle nichts. Das Blut das nun aus mir rausläuft deutet auch direkt auf die Lösungsblutung. Na huch, das geht ja flott. Wir gehen zusammen ins Schlafzimmer, und noch vor dem Bett gehe ich in die Hocke und gebäre die Plazenta.
Mir ist nun eisekalt und zusammen kuscheln wir uns ins Bett.