Kurz vor 5 wache ich auf und beschließe schnell aufs Klo zu gehen bevor M aufwacht und Stillen will. Vom Bad aus höre ich ihn schon nach mir weinen. Ich mache kurz das Licht an, eine größere Portion klarer Schleim klebt am Papier. Ich husche zurück ins Bett, M macht sich sofort über seine Mimi her.
Plötzlich schießt es warm aus mir heraus. Nochmal. Eine sehr schmerzhafte Wehe und gleich noch eine. Ich muss M abdocken. S macht Licht. Alles voller Blut. Ich springe auf und renne wieder ins Bad. Eine Wehe auf der Toilette. "Ruf die Hebamme,schnell!" Er ist zu verwirrt. Sucht verzweifelt die Nummer. "Gib mir mein Handy!" Ihre Mailbox geht ran. Ich erzähle schnell, dass wohl die Blase gesprungen ist, mit sehr viel Blut. Sie ruft 5 Sekunden später zurück. Hat den falschen Knopf gedrückt. Ich erzähle nochmal. "A, fahr ins Krankenhaus!" " Ich hab so schnell keinen für M." " Ich bin in 20 Minuten da und fahre mit dir." 5:15
Ich heule, jetzt schneiden sie mich auf. Das Kind in mir bewegt sich nicht. 'Scheiße, scheiße, scheiße! Bitte bleib bei mir!' Ich stelle mir vor, wie sie mich behandeln werden in der Uniklinik. Ich, mit meinem leeren Mutterpass,die ihr zweizes Kind auch wieder in Lebensgefahr bringt. S packt in Windeseile eine Tasche. M ist im oberen Stockwerk, er spielt und sieht fern. Die Wehen werden immer stärker. Ich halte sie im sitzen nicht aus. Stelle mich hin, drücke die Stirn an die Fliesen. Zurück ins Schlafzimmer, versuche mir etwas anzuziehen. Schaffe Schlüpfer und Stillbustier. Ich sage S, dass ich das Gefühl habe, dass das Kind gleich kommt. "So kann ich nirgendwo hinfahren."
Die Blutung ist nur noch schwach. Ich versuche in die Wehen zu finden. Es gelingt mir nicht. Ich werde überrollt, habe Angst. Ich kann gerade noch eine Schublade der Kommode öffnen, dann zwingt mich die nächste Wehe in die Knie. Ich drücke mein Gesicht auf die Matratze unseres Bettes. Ein zerknülltes Handtuch unter den Knien. Die Amme kommt. Ich schicke S mit M nach oben. Es ist 5:40. Die Amme hört die Herztöne. Mein Kind lebt. Das Herz ist kräftig. Sie schaut sich die Blutflecken im Bett, im Bad und meine durchtränkte Schlafanzughose an. Ihr wird ganz schön mulmig, gesteht sie hinterher. Sie hilft mir aus der Unterhose. Untersucht mich. "Da ist nur noch ein leichter Saum." Die Blutung ist noch da, aber nicht mehr schwallartig,viel weniger. Ich frage sie ob sie noch ins KH fahren will. Ich bin ganz klar. "Nein!" Das starke Herz des Babys beruhigt uns.
Ich versuche mich auf die Wehen einzulassen. Ich presse mein Gesicht in einen Stapel Handtücher, die S gebracht hat, bis ich Sternchen sehe. Versuche tief zu atmen, in dieser Geburt anzukommen, die wie ein Orkan über mich hinweg fegt. Die Wehen finde ich kurz,heftig. Tönen gelingt mir nicht. Zwischen den Wehen bin ich schmerzfrei und überlege nochmal aufs Klo zu gehen. Die Herztöne bleiben gut. M und S räumen den Pool ins Wohnzimmer. Sie kommen kurz gucken. M hat Angst und ich schicke sie wieder weg.
5:50 Ich spüre Druck, will lieber aufs Klo. "Das geht zu schnell. So will ich das nicht." "Aber dein Kind kommt jetzt. Lass es zu! Schieb mit, wenn du das Gefühl hast." Die veräppelt mich doch! "Baby, wir haben Zeit!" Er hört nicht auf mich.
Mit vier Wehen rauscht er durchs Becken.
Ich fühle kurz. Da ist der Kopf. HT sind unten. "Es wird jetzt eng für dein Kind."
Kurz jammere ich nach meinem Mann. Ich fühle mich so allein.
6:07 Eine Urgewalt überrennt mich, Ich brülle, mein Körper schiebt mit aller Macht.
Ich komme kurz zu mir. "War das schon der Kopf???" "Ja!"
6:08 Nochmal diese Kraft, die einfach übernimmt. Unter mir liegt mein kleines Kind. Er brüllt. Ich fühle die Plazenta direkt hinterher kommen. "Mein Junge!" Ich nehme ihn in den Arm. Lasse mich in die Arme der Amme hinter mir sinken.
M und S haben die Geburt vom oberen Treppenabsatz mitgehört.Sie kommen dazu. Wir sitzen in einer riesigen Blutlache, ich halb auf unserer Plazenta. "Unser J ist da!"
6:15 J beruhigt sich langsam. Öffnet vorsichtig ein Auge.
6:20 Es klingelt. Die zweite Amme kommt. Wieder hat sie die Geburt verpasst. Wie schon bei M.
Wir klettern ins Bett. S hält J im Arm. Die Plazenta liegt in einer Schüssel,die er erstmal auf dem Katzenkratzbaum abstellt.

Ich nehme mein kleines Kind auf meine Brust. S und M nabeln ab. Langsam komme ich auch an im Moment.
Die Ammen untersuchen vdie Plazenta. SIe sieht merkwürdig aus. Dunkel, bläulich-gräulich mit einer fast durchgehenden dünnen Haut überzogen. Aber nicht verkalkt.
Wir vermuten sie hatte sich schon teilweise gelöst.
Mein Damm ist leicht gerissen. Aber ich habe keine Schmerzen. Keine Naht.
Die Schwiegermutter kommt. Wir weinen kurz zusammen, dann übernimmt sie M und s kann sich zu uns ins Bett kuscheln.
Wir essen Kekse, trinken Tee und die Ammen machen den Papierkram.
Die Amme macht die U1. Alle hatten sie mir mindestens 4kg prophezeit. Nie im Leben hat er die!
"A, tipp mal wieviel!"
"3,5kg."
Tatsächlich, 3510g und 49cm. KU 35cm.
Wir überlegen ob wir ihm Vit K geben. Entscheiden uns dagegen.
Ich bin so unglaublich fit. Kann ohne Hilfe aufstehen und aufs Klo gehen.
Die Ammen gehen gegen 9. Wir kuscheln und versuchen zu begreifen was heute schon alles passiert ist.
Mein Mann gibt mir ein kleines Stück der Plazenta zu essen. Danach gibt es Sushi.
