Von Samstag auf Sonntag nacht kam der Sturm zurueck. Und es roch nach Feuer, weil die Bauern rundherum das Gras abbrannten. Und da begriff ich, warum ich in den letzten Tagen immer, wenn ich Kontakt zum Baby aufnehmen wollte, dieses Bild vom Feuerball vor dem inneren Auge hatte. Ich telefonierte noch mit der Hebamme - nach wie vor wartend auf die andere Geburt - wurde von ihr nochmal bestaerkt, bekam letzte Tipps. Dann ging ich gegen 23h ins Bett. Hoerte Rider on the Storm und andere schoene Dinge, die zur Sturmnacht und dem Feuer draussen passten. und spuerte, wie die Wehen kamen. alle 20min, gut im Liegen auf der Seite zu ertragen. Gegen Mitternacht kam LG ins Bett. Ich entschied mich, nichts zu sagen, denn so richtig ernst nahm ich das dann eigentlich doch nicht.
Gegen 1h musste ich dann allerdings immer in den Vierfuessler, um die Wehen gut zu meistern. LG war eingeschlafen, ich entschied mich, ihn nicht zu wecken, das wuerde mich 15min Abstand ja noch sehr lange dauern. Und begann, im Haus herumzuwandern. Landete schlussendlich im Badezimmer. Schoen kuehl, alles Stein, Ausblick auf die Baeume, die sich draussen im Wind bewegten. und vor allem die Toilette, denn zwischen den Wehen entleerten sich Blase und Darm. Und dann fing ich an, einen Indianertanz aufzufuehren (muss zum Schreien ausgeschaut haben): zwischen den Wehen stehend, mit der Wehe runter in die Hocke, Gewicht von einem Fuss auf den anderen verlagern, und mit den Haenden im Ruecken wegen diesen entsetzlichen Lenden/Beckenschmerzen die Huefte hin und her schaukeln.
Das waren schon echt Hammer-Wehen. Und trotzdem, ich nahm das nicht ernst. Schliesslich hatte ich, ein Traum, Pausen dazwischen! immer, wenn ich an den Punkt kam, wo ich um Aufhoeren betteln wollte oder Unterstuetzung/Schmerzmittel/whatever gebraucht haette, verebbte die Welle wieder. Im Nachhinein denke ich, weil die Fruchtblase nicht geplatzt war, das war der entscheidende Unterschied zu unserem Sohn. Da hatte ich die gleichen Schmerzen, aber eben keine Pausen. und wurde da bis an meine auessersten Grenzen und darueber raus gefuehrt. Diesmal blieb ich immer bei mir.
Die Wehen hatten nun einen Abstand von 7-8 Minuten. Und weil ich noch immer nicht total davon ueberzeugt war, dass das jetzt soweit sei, beschloss ich, ein Bad zu nehmen - mit warmen Wasser wuerde sich ja zeigen, obs zum gebaehren waer oder nicht. Auf dem Weg in den Keller zum Boiler ueberlegte ich kurz, ob ich LG aufwecken sollte. Aber da das ja eh noch ewig dauern wuerde (da war es 2h30) liess ich es.
Eine halbe Stunde spaeter, als ich in die Wanne stieg, wurde es mir aber dann endlich auch einsichtig: das laesst sich nicht mehr aufhalten. Ich konnte nur knien, und mich nach vorne am Rand abstuetzen und katzenbuckel machen. die naechste wehe kam. es machte plopp, etwas fruchtwasser lief ab, es war klar, wie ein kontrollierender rest von mir notierte. point of no return ist ueberschritten. mir blieb nur noch, ins Handtuch vor mir hineinzubeissen, als mir ploetzlich schlecht wurde und ich anfing, krampfartig zu zittern. vom gefuehl wars, als ob ich durchfall bekaeme, in mir zuckte und krampfte alles. ein bewusster gedanke noch - sind das presswehen? - beim letzten mal hatte ich auf kommando gepresst, und dieses gefuehl nie gehabt. nein, antwortete ich mir, das ist doch viel zu frueh, ich sagte es sogar ganz laut: ich glaubs einfach nicht!! aber ich fuehlte etwas Hartes zum Scheidenausgang streben. bewusst gepresst hab ich nie, mein koerper hat nur diese krampfartigen zuckungen produziert. und ploetzlich war der kopf am ausgang. ich fuehlte mit einer hand hin, waehrend ich versuchte den prozess zu verlangsamen, denn ich wollte nicht reissen. einatmen, ausatmen. der kopf kam etwas nach vorne. wieder einatmen, ausatmen, noch ein stueck, wieder etwas zurueck, und dann ploetzlich kam er durch. und dann maunzte es.
ich war total perplex. da kniete ich in der badewanne, wasser um die knie, meine tochter hing mit dem kopf nach unten aus mir raus, und sie beschwerte sich! ich hatte echt mit vielem gerechnet, aber nicht damit. ich weiss nicht, wie lange dieser moment dauerte, ich weiss nur, er hat sich in mir eingebrannt fuer die ewigkeit. ich hoerte auf zu atmen und hoerte ihr beim maunzen zu. ich wusste nicht, was ich jetzt tun sollte. sie dagegen umso besser. mit einem ruck drehte sie sich, ermoeglichte so den schulterdurchtritt, und mit einem schwall fruchtwasser stuerzte sie aus mir raus. blubb in die badewanne - viel zu glitschig fuer die eine hand, und ausserdem war ich sowieso noch immer neben der spur.
und als ich sie rausfischte, fing sie an zu protestieren. und da ging die tuer auf und LG starrte mich an. total geistesgegenwaertig, wie ich halt so bin, erklaerte ich ihm die offensichtliche sachlage: sie ist da. und er rieb sich die augen, und uebernahm das kommando. badetuecher her, bett mit tuechern ausgepolstert, raus aus der wanne (net so easy mit nabelschnur und zitterknien und glitschigem baby), eingehuellt und ins bett gesteckt. er hat dann wasser aufgekocht, eine schere sterilisiert, mullbinde zum abbinden der nabelschnur organisiert, eine zigarette geraucht, mich dabei herzlich verflucht (nehm ich an, hat er mir noch nicht gestanden )
im nachhinein ist das der interessanterste aspekt der ganzen geburt fuer mich. wir hatten anscheinend unterhalb unserer bewussten kommunikation einen pakt miteinander geschlossen: ich wuerde das alleine durchziehen. er wuerde mich dabei in ruhe lassen. und dann dazu kommen, wenn er gebraucht wuerde. denn eins war ich ganz gewiss nicht waehrend der geburt: leise. definitiv einige dezibel lauter als das leise gekraechze seiner tochter. und er hat normalerweise einen leichten schlaf. ich bin zutiefst davon ueberzeugt, haette ich ihn frueher gebraucht, waere er frueher gekommen. so wars perfekt, denn nie waere ich sonst in seiner anwesenheit so frei gewesen, allen meinen launen und eingebungen zu folgen. mein kopf, der sich sowieso schon schwer ausschalten laesst, waere viel praesenter gewesen. fuer mich hats so total gepasst. LG ist da ambivalenter. er ist erleichtert, klar, aber auch voller schlechtem gewissen, weil er mich allein gelassen hat, seinem gefuehl nach. und er schwoert, er wuerde nie mehr wagen, mir zu widersprechen, davor hat er jetzt viiieeel zu viieel respekt vor mir . ha.
aber zurueck zur story: LG hat dann noch einen topf fuer die plazenta gebracht. nachdem unsere tochter das protestieren gegen die welt nach ci 10 min aufgab und sich stattdessen 1h lang an der brust guetlich getan hatte, stand ich dann mal kurz auf, stellte mich breitbeinig ueber den topf, drueckte einmal an, und da kam die plazenta. vollstaendig. LG nabelte dann ab wie ein Pro. ich war nicht gerissen, blutete etwas, aber nicht stark, und fuehlte mich - entrisch. draussen flaute der sturm ab. es war 3h45, als unser sturmkind sich gebar/geboren wurde (ja klar, ich wars meistens, aber da waren momente dabei in denen sie die fuehrung hatte, und momente, in denen es keine von uns 2 war.)
dann weckten wir den grossen bruder an, der verschlafen zu uns ins bett wankte und dort rasteten wir noch, bis der hunger LG an den herd trieb. Palatschinken mit frischen Himbeeren haben uns dann die Kraft gegeben, den Kampf mit den Behoerden aufzunehmen und uns ins KH der Alptraeume zu begeben. dazu folgt dann aber ein andermal ein Sonderbericht. ich muss jetzt zu unserer naturgewalt. die hat anscheinend panische angst, sie koennte ein gramm ihrer 3,2kg abnehmen. ich hab noch nie ein so hungriges baby gesehen. naja, feuerball halt.
zur vollstaendigkeit noch die masse: 36 KU, 50cm laenge, 3200g.