Nix für Musik und Kerzen- Turbohausgeburt

öffentliches Forum

Moderator: Hausgeburtsforum

Mondenkind

Nix für Musik und Kerzen- Turbohausgeburt

Beitragvon Mondenkind » Do 25. Okt 2012, 19:14

Einige kennen meinen GEburtsbericht vielleicht aus dem SuT, für alle anderen stelle ich ihn hier auch noch mal ein:

Meine erste Entbindung war eine Krankenhausgeburt, spontan, aber im Ganzen nicht so toll. Daher hatten wir uns dieses Mal zunächst für das Geburtshaus entschieden, uns aber im Verlauf überlegt, daß wir dann auch gleich zuhause bleiben können. So haben wir dann alles geplant und vorbereitet. Ein Karton mit allen Sachen, die die Hebammen für die Geburt haben wollten stand bereit. Musik auf dem mp3-Player war vorbereitet, falls ich ein bißchen was hören wollte, um mich abzulenken.

Das einzige Problem war, daß ich am 19.3. ET hatte, unsere Große aber am 11.3. Geburtstag hat. Ich hatte echt immer Angst, am 11.3. zu entbinden, das wollte ich überhaupt nicht. Hätte ich mir eher überlegen müssen, klar... Aber nun war es so und wir hofften das Beste.

Am 11.3. feierten wir dann einen ganz tollen 3. Geburtstag. Abends im Bett sagte ich mir, okay, jetzt ist mir alles egal... Von mir aus kann es jetzt losgehen... Am nächsten Tag sollte nachmittags die Familie zum Feiern kommen, ein Samstag. Der Karton mit allem für die Geburt stand im Ankleidezimmer.

Wir wachten um ca. 7 auf und ich stillte wie immer die Große. Ich merkte Kontraktionen, aber nicht schmerzhaft und ich kannte das auch schon. Wir überlegten uns, daß wir vormittags ja eigentlich noch mal schnell zu Ik*a könnten. Um 7 Uhr 15 standen wir auf und wollten erstmal frühstücken.

Um 7 Uhr 30 knickten wir dann mal Ik*a... Regelmäßie, sehr häufige und langsam schmerzhaft werdende Kontraktionen. _Atmen_ Und um kurz nach halb entschied ich, daß ich auch kein Frühstück brauche- was echt verdächtig ist. Wenn ich nichts mehr essen möchte... _Atmen_

Um 7 Uhr 45 schlug ich meinem Mann vor, mal die Hebammenrufbereitschaft anzurufen. Meine Vorsorgehebamme ging ran (jippieh, sie hatte Dienst!) und meinte, sie rufe gleich zurück, sie waren grad bei ner anderen Hausgeburt ... (im Hintergrund Schreien und pressen ). Klar, kein Ding, alles easy hier.

Mein Mann fing an, unsere Betreuungen für die Große anzurufen. Das waren meine Eltern in Bremen und meine Schwägerin hier in Hannover. Eigentlich sollten die alle erst nachmittags zu uns kommen, wegen des Geburtstags der Großen. Jetzt rief mein Mann an und sagte meiner Schwägerin und meinen Eltern, daß es evtl anders läuft. Danach war es 8. Innerhalb der letzten paar Minuten wurde es mir aber ungemütlich. Eine Wehe nach der anderen, es wurde immer schmerzhafter. Meine Große meinte "Mama, nimm ein Stück Sokolade, das hilft gegen das Aua!" Wer zum Teufel hat dem Kind gesagt, Süßes helfe gegen Schmerzen? Ahhhhhh, ich konnte den Gedanken nicht weiter verfolgen... _Atmen_ Immer weiter atmen, das hatte ich mir vorgenommen, nicht kämpfen, zulassen den Schmerz und atmen...

Meine Tochter wurde unruhig, ich erklärte ihr, daß alles gut sei, ich sie aber nicht anziehen konnte. Daß das Baby jetzt kommt. _Atmen_ Ich muß zum Klo, sagte meinem Mann, egal was ist kümmer dich um sie. Ich wollte sie auf keinen Fall dabei haben. Sieh zu daß die alle kommen. Ich muß mich um mich kümmern. _Atmen_ Ich ging auf Klo, um mich um mich zu kümmern. Atmen. Es tat sehr weh mittlerweile. Es drückte, ich hatte Stuhlabgang. Die Wehen kamen mit weniger als einer Minute Abstand. Ich bekam kaum Luft, konzentrierte mich aber weiter darauf, ein- und vor allem auszuatmen. Um 8 Uhr 4 brachte mir mein Mann das Telefon aufs Klo. "Pust. Ja? Pust" Meine Hebamme. "Ok, ich komm." "Pust." Endlich. Mein Mann rief die Betreuungen an um zu drängeln. Meine Elterrn sollten auch meine Oma zuhause lassen, damit sie mit der Großen in den Zoo könnten. ICH würde dieses Haus nicht mehr verlassen. Evtl wäre nämlich der Plan gewesen, daß sie meine Große hier bei uns betreuuen und wir ins Geburtshaus gehen. Aber das würde nicht passieren. Ich würde hier nicht weggehen, das Bedürfnis, in meiner eigenen Wohung zu bleiben war unglaublich stark. 8 Uhr 7. Ich war vollkommen beschäftigt mit meiner Wehenarbeit, eine nach der anderen. Es war unglaublich, was da über mich hereinbrach. Wann kommen die endlich alle? Ich will die Große hier weghaben! "Kommt deine Schwester mit dem Taxi?" Mein Mann rief sie an, sie war auf dem Weg zum Bus. "Nimm ein Taxi, jetzt sofort!" 8 Uhr 18.

Dann kam meine Hebamme, endlich. Ich war immer noch auf dem Klo, denn es drückte ja so... Sie sagte ich soll da runter, ich krabbelte zu ihr auf allen vieren, atmend, stöhnend. Wir redeten 2 Sätze, keine Ahnung was. Dann kam die nächste Wehe. Ich muß wieder aufs Klo. Nein, mußt du nicht! komm nach nebenan. Ich schleppte mich vors Bett, ging dort auf die Knie. Nix ging mehr. Ich würde diese Position nicht mehr aufgeben bis mein kind da war, das wußte ich. Und ich würde es nur so ertragen, würde jemand etwas anderes von mir verlangen würde aufhören zu existieren. Die Wehen waren unglaublich. Unglaublich oft, unglaublich heftig. Ich war am Rande dessen, was ich ertragen konnte. Aber irgendetwas ließ mich wissen, daß ich es ertragen würde. Daß ich da jetzt durch mußte und daß ich das schaffe, mit Hilfe meiner Hebamme. Es gab kein zurück mehr. Ich mußte bei mir bleiben und durch diesen Orkan. Die 2. Hebamme kam, sie war der Springer, denn eine war ja noch bei der frisch entbundenen anderen Hausgeburt. Ich habe während der ganzen Geburt nicht einmal aktiv gepresst. Ich habe mich nur darauf konzentriert, zu atmen und nicht gegen den Schmerz anzukämpfen, auch wenn das Bedürfnis danach groß war. Mein Körper wußte, was zu tun war. Ich hab ihn einfach machen lassen.

Meine Hebamme untersuchte mich. Muttermund vollständig. Unter mir lagen mittlerweile Malerfolien und Laken. Sie hielten mir ein Dopton an den Bauch. Dezelerationen nach der Wehe. Mein Kind hatte Stress. Kein Wunder bei dem Tempo! Wir hatten beide ja keine Ruhe, die Wehen kamen weiter Schlag auf Schlag. Ich wußte, daß wir hier auch nicht mehr weg konnten, von wegen Klinik wegen schlechter Herztöne und so... Mein Kind würde jetzt kommen und zwar bald. In der nächsten Wehe ließ meine Hebamme mich selbst tasten. Das Köpfchen stand auf Beckenmitte, die Blase stand noch. Sie sagte, in der nächsten Wehe würde sie die Blase aufmachen. Würde es dann noch heftiger werden? Das würde ich auf keinen Fall aushalten!!! Natürlich hälst Du das aus, sagte sie. Ich hörte meine Tochter vorne lachen. Meine Schwägerin war wohl da. Mein Mann kam dazu. Er hielt meine Hand und ich sah unsere Hände und es störte mich, daß ich meinen Ehering nicht trug, aber er war so eng geworden die letzten Tage. Sie machte die Blase auf, grüne Brühe kam. Mein Kind hatte Stress, aber ich tat ja schon, was ich konnte. Ich kam ins Kreischen, so weh taten die Wehen mittlerweile. Meine Hebamme erinnerte mich daran, tiefe Töne zu machen. Daß der Ton, der dann aus mir rauskam, unseren Altbau nicht zum Einstürzen brachte, wundert mich auch heute noch. Aber es half. Irgendwann zwischen zwei Wehen sprachen meine Hebammen kurz was. Dann kam die nächste Wehe und gleich rief ich nach meiner Hebamme. Ich konnte es nicht ertragen, daß ihre KOnzentration nicht auf mich gerichtet war. _Alle_ mußten voll bei mir sein in diesen Wehen, alleine würde ich das nicht ertragen. Ich war nur nicht alleine, wenn alle voll auf mich konzentriert waren. Sie verstanden sofort, "ich bin da, ich bin da" bekam ich als Antwort.

Nach der Wehe sollte ich wieder tasten. Das hätte ich nicht tun sollen. Ich spürte den gesamten Kopf, doch es mußte sich noch so viel öffnen! Wie sollte ich das aushalten? Es fühlte sich doch so schon an als würde alles zerreißen! Ich geriet in Panik, fing an zu schreien. Meine Hebamme beruhigte mich, in der nächsten Wehe wurde ich wieder ruhiger. Die Herztöne wurden übrigens auch wieder besser.

Ich ließ es weiter geschehen, atmete mein Kind weiter zu mir. Der Drang, gegen den Schmerz war riesig, doch meist schaffte ich es.

Dann war der Kopf da. "Der Kopf ist da! " sagte die zweite Hebamme. Mit einem unglaublich lauten "Es tut aber immer noch so weeeeeehhhhhh!" brachte ich auch den Körper meiner zweiten Tochter zur Welt.

Sie war da. 8 Uhr 51. Ich hatte es geschafft. Das war mein erster Gedanke. Ich hab es tatsächlich geschafft.

Sie saugten sie ab wegen des grünen Fruchtwassers, es ging ihr gut. Ich nahm sie, was wegen der sehr kurzen Nabelschnur etwas schwierig war, und krabbelte mit ihr ins Bett. Ich konnte mich kaum bewegen, so anstrengend war alles gewesen. Aber ich hatte es geschafft.

Der Rest war einfach nur noch ein Traum. Die Plazenta kam problemlos nach etwa einer Stunde. Ich bekam Frühstück ans Bett, mein Mann hat für uns alle Brötchen geholt. Ich trank einen Tee, die Hebammen kochten sich vorne Kaffee und frühstückten auch erstmal. Ich hab noch nie etwas so leckeres wie diesen Tee getrunken. Dabei mag ich eigentlich gar keinen weißen Tee. Und ich lag da mit meinem kleinen Wunder. Ich hatte einen Dammriss II°, der problemlos im Bett genäht wurde.

Diese Geburt ist über mich hereingebrochen und hat mich tief beeindruckt. Diese Urgewalt hat mich Demut gelehrt und mir unglaublichen Respekt vor diesem natürlichen Vorgang eingeflößt. Nach meiner ersten Entbindung hatte ich das Gefühl, versagt zu haben. Diesmal bin ich nur stolz und glücklich und dankbar, daß ich das so erleben durfte.

Ferun

Re: Nix für Musik und Kerzen- Turbohausgeburt

Beitragvon Ferun » Do 25. Okt 2012, 19:38

Holla, das nenn ich mal flott!
Aber du bist super damit umgegangen, ich wäre wohl durchgedreht.

towonda

Re: Nix für Musik und Kerzen- Turbohausgeburt

Beitragvon towonda » Do 25. Okt 2012, 21:25

Schöne, urgewaltige Geburt! Toll!
Ich find's besonders schön, dass du als Frauenärztin (erinnere ich das richtig?) das auch so annehmen kannst und von Demut sprichst.
Ein paar Freundinnen von mir sind auch Frauenärztinnen, nur eine ist aber tatsächlich in der Lage, das genauso zu sehen. Eine andere hat auch problemlos schön, relativ schnell und verletzungsfrei geboren - und alles was sie für sich daraus mitnahm ist, dass sie sich vornimmt, in Zukunft schneller den Anästhesisten für die PDA zu holen. Schade. Umso schöner, dass du glücklich und dankbar über diesen zwar flotten und deshalb nicht unstressigen, aber dennoch sehr schönen Lebensstart deines Kindleins bist!

Benutzeravatar
weiße wölfin
Administrator
Beiträge: 3756
Registriert: Sa 21. Apr 2012, 16:32

Re: Nix für Musik und Kerzen- Turbohausgeburt

Beitragvon weiße wölfin » Fr 26. Okt 2012, 07:06

wow, so schön, urgewaltig, echt, natürlich, demütig... aus deinen worten spricht das ganze universum *verneig* :beten:
LG Viola 09/75
Angelo 09/95 KH,
Danilo 12/01 KH amb.,
Delano 05/03 HG,

Aaliyah 09/11 HG
Jovina 11/15 HG

Hütet euch davor, eure Kinder zu Anpassungsakrobaten einer Welt zu machen, die ihr zutiefst ablehnt. Erziehung muß Weltverbesserung zum Ziel haben!
© peter e. schumacher (*1941)

rasselbande
Beiträge: 216
Registriert: Di 1. Mai 2012, 12:28

Re: Nix für Musik und Kerzen- Turbohausgeburt

Beitragvon rasselbande » Fr 26. Okt 2012, 07:22

Super, super schön.

Deine Geburt erinnert mich von der Schnelligkeit sehr an meine letzte Geburt.
toll, dass deine Hebamme es noch rechtzeitig geschafft hat!

hast du wirklich toll gemacht! :flagge:
*2007 (KH)
*2009 (KH)
*2012 (HG)

Benutzeravatar
die eule
Beiträge: 5275
Registriert: Sa 21. Apr 2012, 13:01
Wohnort: L.E.

Re: Nix für Musik und Kerzen- Turbohausgeburt

Beitragvon die eule » Fr 26. Okt 2012, 08:42

urgewaltig - das trifft es wirklich am besten. was für ein packender bericht!
*7/2010* die Große, HG
*6/2014* der Wilde, AG
*11/2017* die Verrückte, HG

Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute; seht euch an, wohin uns die Normalen gebracht haben.
- George Bernard Shaw -

Benutzeravatar
Elsa
Beiträge: 260
Registriert: Di 1. Mai 2012, 22:31
Kontaktdaten:

Re: Nix für Musik und Kerzen- Turbohausgeburt

Beitragvon Elsa » Fr 26. Okt 2012, 10:16

ein Gänsehautbericht! :eek:

Ganz große Klasse!
Was niemand tut, wird nie getan

Ich habe den Kampf gegen die Waage gewonnen- soll sie doch selber sehen, wie sie an neue Batterien kommt.

Benutzeravatar
Ardilla
Beiträge: 2196
Registriert: Di 1. Mai 2012, 10:37

Re: Nix für Musik und Kerzen- Turbohausgeburt

Beitragvon Ardilla » Fr 26. Okt 2012, 11:55

Wow!!! Ein eindrucksvoller Bericht. :danke:
Julitochter * 2001 (ambulante Beleggeburt)
Februarkerlchen * 2005 (Hausgeburt mit KS beendet)
Julimädchen * 2011 (Hausgeburt)

Benutzeravatar
parapluies
Administrator
Beiträge: 5161
Registriert: Sa 21. Apr 2012, 10:13

Re: Nix für Musik und Kerzen- Turbohausgeburt

Beitragvon parapluies » Sa 27. Okt 2012, 14:00

wow!
mehr kann ich dazu gar nicht sagen.
wundervoll, spannend - dein Bericht. Danke! :rainbow:

Benutzeravatar
Nyaah
Beiträge: 1532
Registriert: Fr 1. Jun 2012, 20:28

Re: Nix für Musik und Kerzen- Turbohausgeburt

Beitragvon Nyaah » Mo 12. Nov 2012, 11:57

:heul: wow... danke fürs teilen *schnief* :herzen:
Bild
Bild
HG 2012
HG 2014


Zurück zu „Hausgeburtsberichte“

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 3 Gäste