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Samstag, 3.März irgendwann zwischen 8 und 9 Uhr an einem sonnigen Morgen
Ich wache von Unterleibschmerzen auf.
3 Wochen zuvor war ich schonmal früh morgens von ähnlichen Schmerzen unlieb aus dem Schlaf gerissen worden, die sich als sehr wirkungsvolle Senkwehen herausstellten.
Somit war mir auch im morgentlichen Dämmerzustand ziemlich klar, nochmal Senkwehen können es nicht sein. Trotzdem war ich anfänglich überraschend gelassen. ET war der 19. Ich hatte noch relativ fest mit mindestens weiteren zwei Wochen gerechnet und schlummerte mit dem Gedanken, das könne ja auch wieder weg gehen, wieder ein.
Ziemlich schnell war klar, das geht nicht wieder weg. Gegen 10Uhr ging ich auf Toilette -Durchfall, rosa Ausfluss- den Tag zuvor trieb mich der Putz- und Räumteufel durch die Wohnung. Ich kombinierte....ES GEHT LOS!
Es überraschte mich nicht sonderlich, das es ausgerechnet an einem der zwei Tagen los ging, an denen meine Hebamme auf einem Lehrgang war und durch ihre beste Freundin vertreten wurde. Immerhin hatten wir uns vor Wochen einmal zum Kaffee getroffen, für den höchst unwahrscheinlichen Fall, das es los ginge, wenn meine eigentliche Hebamme grade nicht da war. LOL Ich kenne mein Leben doch..
12 Uhr
Nachdem wir noch ein wenig abgewartet und beobachtet hatten, warnte ich die Hebamme per SMS vor. Als sie eine halbe Stunde später zurück rief, kamen die Wehen alle 3 Minuten und zwiebelten schon ganz schön heftig. Irgendwie hatte ich das anders erwartet. Es erschien mir alles viel zu schnell zu gehen. Von der ersten richtigen Wehe bis zum 3 Minuten-Takt vergingen grade mal 2 Stunden.
Als die Hebamme um 13.15Uhr eintraf, kamen sie alle 2 Minuten und waren bereits so stark, dass ich das Bett nicht mehr verlassen konnte, mich im Vierfüßler Stand am Bettrand festkrallte und langsam in einen tiefen Nebel weg dämmerte.
Nur kurze Momentaufnahmen sehe ich noch vor Augen.. wie ich meine Hände auf dem Bettrand anstarre und mich frage wie lange das noch so weiter gehen soll - mein Mann der mir den Strohhalm des Wasserglases hinhielt - sein Herz das wie wild klopfte, als ich mich während einer Wehe an ihn drückte und froh war, das nicht nur ich Angst hatte - die Hebamme, die mir unglaublich liebevoll zuredete.
Folgendes entnehme ich dem (recht Detailierten) Bericht, den sie mir später gab:
13.35Uhr Muttermund 3-4cm, wir lassen ein Bad ein.
14.25Uhr F. übergibt sich, Wehen sehr häufig, alle 1-2 Minuten
15.30Uhr Muttermund 8-9cm
16.40Uhr Muttermund vollst.
Ich weiß noch, dass die wenigen Meter ins Bad und in die Wanne von mindestens 3 Wehen unterbrochen wurden, ich in der Wanne ein wenig mehr Ruhe zwischen den Wehen fand, weil die Abstände (wenn auch nur wenig) eine zeit lang größer wurden. Ich musste mich ziemlich oft übergeben, fühlte mich elend und zitterte am ganzen Körper so stark, dass es mich für kurze Zeit aus den Nebeln heraus schüttelte. Zum Ende hin, konnte ich den Schmerz kaum noch veratmen, geriet immer wieder in eine hektische Schnappatmung, mein Mann atmete mit mir, ich war so froh das er da war..
Ansonsten drang nurnoch meine immer lauter werdende Stimme zu mir durch, ich hatte alles Gefühl für Zeit verloren, merkte nicht einmal, das die Sonne unterging, war völlig in mich gekehrt, im Nebel versunken.
Gut erinnere ich mich allerdings daran, als die Hebamme meinem Mann sagte, er solle mal einen sehr starken Kaffee kochen. "KAFFEE!?" dachte ich verwirrt "Wollt ihr noch ´nen Kuchen dazu??" Aber es waren schon viele Stunden vergangen und ich dachte, das wäre schließlich ihr gutes Recht. Der Kaffee war jedoch nicht zum trinken gedacht. Die Hebamme tauchte eine Binde ein und hielt sie zwischendurch immer wieder an meinen Damm. Das war ein sehr angenehmes Gefühl.
Als es im Vierfüßlerstand nicht so recht weiter ging, und meine Kräfte, mich aufrecht zu halten nach ließen, half mir die Hebamme in die Seiten Lage. Nach dem ich ewig das Gefühl hatte, das die Zeit still stand, kam mir plötzlich alles ganz schnell vor.
Ich hielt mich an den Armen meines Mannes fest und hatte das Gefühl sie zu zerquetschen. Es war, als wenn alles mit mir "passierte", als wenn nicht ich presste. Ich hatte mir den Drang viel stärker und eigenständiger vorgestellt. Mir war, als müsse mir die Hebamme jedes Mal sagen, dass ich mit schieben solle.
Der Kopf kam! Die Hebamme ermutigte mich, hin zufassen. Mit einem Finger, konnte ich ihn durch die Öffnung fühlen, aber ich verstand nicht, was ich fühlte. So weich! Ich presste, immer wieder flutschte der Kopf zurück. Dann drängte ich mich zu einem starken Schub, der Schmerz war überwältigend. So überwältigend, das ich nicht gleich verstand was passiert war. "Der Kopf ist da!!" Erst nach mehrmaligem wiederholen, drang die Stimme der Hebamme zu mir vor.
"Noch einmal, ganz kräftig!" - und dann kam der Moment, den ich nie vergessen werde. Der Moment, in dem ihr Körper den meinen verließ, sie durch mich in die Welt kam.
18.50Uhr
Dicke Krokodils Tränen tropften auf mich hinunter und mein Mann flüsterte schniefend in mein Ohr "Es ist da... ich glaube wir haben ein kleines Mädchen!" (Woran ich mich erst später erinnerte)
Ein paar kurze Quarker drangen in die plötzlich entstandene Stille.
Ich brauchte einige Sekunden um halbwegs zu mir zu kommen. Neugierig richtete ich mich ein wenig auf um nach dem kleinen Wesen zu sehen, die Hebamme legte mir das nasse Bündel auf die Brust.
Da lag es, ganz erschöpft auf mir und blinzelte in diese neue, fremde Welt. Ich berührte immer wieder fassungslos, dieses winzige, käseschmierige Köpfchen. Das Gefühl von diesem kleinen Körper auf mir, ist nicht in Worte zu fassen.
Nach einigen Minuten fragte die Hebamme "Was ist es denn eigentlich?" Geistesabwesend stammelte ich "Keeeeine Ahnung...", "Fühl doch mal!" Ich war immer noch nicht ganz bei mir, ich fühlte eine Weile "Ich glaube ein Mädchen!" ...eine Tochter... Ich habe eine Tochter.
Als wäre es nie anders gewesen, trank das kleine Mädchen an meiner Brust, während Raum und Zeit um uns verblassten. Noch nie war ich so stolz auf mich.
Ich bin nicht gerissen, hatte nur eine leichte Schürfwunde. Ein bisschen traurig war ich, weil ich den Blasensprung nicht mitbekommen hatte. Vermutlich ist sie in der Wanne gesprungen, oder aber eine ganze Zeit lang so vor sich hin gekleckert..
Leider war die Geburt der Plazenta ziemlich unschön. Lange ließ sie auf sich warten. Ich hatte keinerlei Nachwehen. Die Hebamme sprühte mir ein Wehenförderndes Mittel in die Nase. Das kleine, neue Wesen kuschelte auf Papas nackter Brust, dick mit Handtüchern bedenkt.
Ich musste heftig mit pressen. Es schmerzte unsäglich am unteren Rücken. Ich hatte da absolut keinen Bock mehr drauf und wurde sauer!! Da fing ich dann an, womit ich eigentlich bei der Geburt schon gerechnet hatte, erbost zu fluchen "SO EINE VERF***** SCH****...." Es zog sich endlos. Dann, nach mehrmaligem starken pressen und umherlaufen kam sie endlich. Ihre Geburt war derart schmerzhaft, dass sie mit der Geburt des Kindes vergleichbar war. Der Schmerz brauchte einige Sekunden zum abebben. Nun war es geschafft! Es war nichts abgerissen, aber sie sah ziemlich zerfleddert aus. Ein großes Stück hing grad noch so dran. Die Hebamme zeigte und erklärte uns alles.
Bevor wir sie einfrohren, ließen wir die armen Hunde, die 12 Stunden lang nebenan ausharren mussten, daran schnuppern. Ich hatte mal gelesen, dass sie so besser die Ankunft eines neuen Rudelmitgliedes begreifen könnten.
Kaum ein Auge machte ich in dieser Nacht zu. Ich hielt die winzige Hand meiner wunderschönen Tochter und starrte sie stundenlang an. Am frühen Morgen endlich, nickte ich, an ein Lesekissen gelehnt und dem kleinen Wurm auf meinem Bauch, vom Glück durchströmt ein wenig ein.
3450g
50cm
35cm KU

4 Monate vergingen wie im Flug. Nun trägt sie schon Kleidergröße 74 und wiegt 7kg!!
Niemals in meinem Leben, habe ich solches Glück empfunden, wie jenes, was sie mir jeden Tag mit ihrem Dasein schenkt.
