Sonntag, 25. August 2013
Kurz vor 21 Uhr: Ich stehe in der Küche, um mir einen Tee zu machen und plötzlich – was ist denn das??? Mein Bauch wird hart, aber diesmal ist es plötzlich anders als in den letzten Tagen, es tut nämlich weh! Und dann lässt es gleich wieder nach. Trotzdem hab ich das Gefühl, dass es wohl in den nächsten Tagen ernst werden wird. Den ganzen Urlaub und die Tage davor hatte ich das Gefühl, diese Schwangerschaft wird noch ewig gehen. Ich gehe ins Bad und stehe dann vor dem Waschbecken, um mich bettfertig zu machen, denn ich bin müde und will Kraft schöpfen. Da wird mein Bauch schon wieder hart und es tut schon wieder weh. Geht es jetzt etwa los? Ich gehe zu meinem Freund und erzähle ihm davon und er schaut mich ganz baff an. Ich sage, das sind bestimmt nur Vorwehen und er könne morgen ruhig noch mal nach Hause nach Brandenburg fahren, das dauert bestimmt noch.
Um 22:20 Uhr rufe ich nochmal meine Hebamme L. an und sie sagt mir, das können sowohl Vorwehen, als auch schon Geburtswehen sein und ich kann den Wannentest machen. Da kein Schleimabgang im Slip zu sehen ist, gehe ich von Vorwehen aus und beschließe, den Badewannentest erst morgen früh zu machen und dann gehe ich schlafen.
Nacht vom 25. zum 26. August 2013
Ich versuche zu schlafen und habe immer wieder mal eine mehr oder weniger schmerzhafte Wehe. Manchmal sind die Wehen so schmerzhaft, dass ich aufstehen muss und zum Klo renne. Ungefähr 5-6 Mal renne ich in dieser Nacht aufs Klo und schaue nach, ob denn nun endlich Schleim abgeht, als Zeichen dafür, dass der Muttermund begonnen hat, sich zu öffnen. Aber das ist nie der Fall und sowohl die Slipeinlage, als auch das Klopapier sind immer blütenweiß.
Manche Wehen sind aber auch nicht ganz so schmerzhaft, sodass ich im Bett liegen bleiben kann. Schlafen kann ich aber nicht und immer wieder denke ich mir, wenn die Übungswehen schon so schmerzhaft sind, wie sollen dann erst die Geburtswehen werden? Ach Mensch….
Montag, 26. August 2013
Um 6:00 Uhr stehe ich schon auf, weil ich eh nicht mehr schlafen kann und weil die Wehen im Stehen und Laufen viel leichter zu ertragen sind. Im Liegen tun sie furchtbar weh. Ich frühstücke erstmal was. Um 6:45 Uhr verabschiede ich mich von meinem Freund, der jetzt mit dem Zug nach Hause nach Brandenburg fährt. Er sagt aber, er kommt noch gleich am selben Tag wieder und nicht erst morgen am Dienstag, denn das wär ihm hier langsam zu gefährlich mit diesen schmerzhaften Wehen und er hat Angst, die Geburt zu verpassen. Er sagt, ich soll immer gleich anrufen, wenn sich was Neues tut.
Ungefähr 7:15 Uhr habe ich eine Monsterwehe und muss mich dabei am Türrahmen festhalten. Ich denke schon, auweia, was ist, wenn es jetzt losgeht, dann kann ich meinen Freund gleich wieder herholen, obwohl er erst seit einer halben Stunde weg ist. Aber als ich auf dem Klo nachschaue, sehe ich immer noch keinen Schleim. Na gut, dann will ich dann den Wannentest machen.
Um 8:30 Uhr geht meine Mutter auf Arbeit. Sobald sie zur Tür raus ist, reiße ich mir die Klamotten vom Leib und lasse mir Badewasser einlaufen. Das Wasser ist wunderschön warm. Bis ca. 10:15 Uhr bleibe ich im Wasser und es ist herrlich, schön entspannt, und die Wehen lassen tatsächlich nach. In der ganzen Zeit habe ich nur eine schmerzhafte Wehe, nachdem ich mich im Wasser einmal auf die andere Seite gedreht habe. Sonst war alles ruhig, nur mein Baby bewegte sich im Wasser wunderschön viel. Das hat es vom Papa, dachte ich, weil die Mama von meinem Freund mir mal erzählt hatte, dass er sich damals im Bauch auch immer viel bewegte, wenn sie ins Wasser ging. Und bis auf die eine hatte ich keine Wehen. Ok, also sind das wirklich nur Übungswehen.
Ich will was essen. Ich mach mir die Bohnen warm, die auf dem Herd stehen und trinke Kakao dazu. So, wenigstens erst mal was gegessen. Um 11:30 Uhr gehe ich noch mal in die Badewanne. Das Wasser ist wunderschön warm und ich habe keine Wehen. Unsere zwei Katzen nehme ich mit ins Bad, damit sie mir Gesellschaft leisten.
Ca. 12:45 Uhr steige ich aus dem Wasser, trockne mich ab und schaue im Internet nach, was es in der Mensa heute zu Essen gibt und beschließe, dort richtig Mittag zu essen. Hab nämlich wieder Hunger. Ich überlege, ob ich mit Bahn und Bus hinfahren soll, oder lieber laufe. Ich laufe lieber, es sind ja bei langsamem Gehen nur 15 Minuten hin und vielleicht schaukelt das außerdem mein Baby weiter nach unten und lässt die Vorwehen zu Geburtswehen werden.
Um 13:30 Uhr gehe ich los zur Mensa. Auf dem Weg höre ich Musik und hab immer mal wieder Wehen, die vom Schmerz her jedoch aushaltbar sind. Direkt beim Essen habe ich auch eine schmerzhafte Wehe, die ich aber stillschweigend veratme (ich glaube, den anderen Studenten im Speisesaal wäre es komisch vorgekommen, wenn ich die Wehe lieber laut vertönt hätte ).
Ungefähr 15:00 Uhr will ich mich hinlegen und schlafen, weil ich ja so früh aufgestanden und jetzt deswegen einfach nur müde bin. Das „Schlafen“ geht eine halbe Stunde gut, dann aber habe ich plötzlich eine extrem schmerzhafte Wehe. Ich kann nicht liegenbleiben, stehe auf und will meinen Kopf vor Schmerz gegen die Wand hauen. Ich halte mich aber stattdessen am Türrahmen meines Zimmers fest und veratme. Als die Wehe weg ist, gehe ich aufs Klo, aber noch immer ist kein Schleim zu sehen. Also wieder nichts mit echter Geburt. Ich laufe herum und es kommt aber wieder so eine total schmerzhafte Wehe, trotz Herumlaufens. Dabei wird mein Bauch immer sehr hart und eckig. Ich will, dass der Schmerz aufhört und der Bauch wieder rund und weich wird und mich bis zur echten Geburt endlich in Ruhe lässt.
Zwischen 14:45 und 17:30 Uhr habe ich 5 oder 6 Monsterwehen, egal ob im Stehen, Liegen oder Sitzen. Dazwischen habe ich regelschmerzartiges, unangenehmes Dauerziehen im Unterleib. Mein Baby bewegt sich, ich spüre es.
Um 17:45 Uhr rufe ich L. an und heule mich bei ihr wegen meiner schmerzhaften Übungswehen aus. Die Wehen tun nämlich weh wie Sau, sind aber offenbar überhaupt nicht produktiv und bringen mein Baby kein Stück weiter Richtung draußen, weil kein Schleim und auch sonst überhaupt nichts abgeht. Sie bietet mir an, morgen, am 27. August um 14:30 Uhr ins Geburtshaus zu kommen, da würde ich ein Mittel gegen die Wehen kriegen und außerdem eine Fußmassage.
Ca. 18 Uhr gehe ich ins Wohnzimmer zum Essen. Es gibt Sushi. Um 20 Uhr mache ich nochmal den Wannentest. Der bringt aber auch nichts, denn zum Unterscheiden zwischen Vorwehen und Geburtswehen müssen die Wehen ja im Wasser entweder schwächer oder stärker werden. Sie bleiben aber gleich und es besteht gar kein Unterschied sowohl in der Intensität, als auch im zeitlichen Abstand der Wehen. Ich springe also um 21 Uhr aus der Wanne raus und gehe an meinen Laptop.
Um ca. 21:05 Uhr will ich hier im Hausgeburtsforum ein neues Thema eröffnen und mich über meine schmerzhaften, aber unproduktiven Vorwehen ausheulen. Der Beitrag geht folgendermaßen:
Ich komme nicht dazu, den Beitrag richtig sinnvoll zusammenhängend zu Ende zu schreiben und ins Forum zu stellen. Ich muss vom Computer weg, weil ich schon wieder von einer Wehe überrollt werde, die so wehtut, dass ich wieder aufstehen muss und mich am Türrahmen festhalten muss. Mein Bauch wird hart und eckig. Ich stelle mich also vor mein Sofa und veratme die Wehe im Schaukeln, indem ich mein Gewicht von einem Bein auf das andere verlagere, hin und her, hin und her. Meine Schienbeine streichen dabei an meinem Sofa. Vielleicht verwandeln die Vorwehen sich auf diese Weise endlich in echte Geburtswehen.Thema: schmerzhafte wehen die nichts bringen
Ich könnte grade einfach nur heulen. Bin grade bei 39+3 also ET-4 und hab seit gestern Abend schon ununterbrochen Wehen, die teilweise echt sehr schmerzhaft sind. Das hat sich bis jetzt gesteigert. Bin letzte Nacht schon mindestens 5-6-mal aufs Klo gerannt, sonst hab ich sie im Liegen veratmet. Heute vormittaag bin ich in die warme Badewanne gegangen, das war richtig schön, weil sie da aufhörten. Hab Aber kurz danach fingen sie wieder an und da waren schon solche Monsterwehen dabei, dass ich mich am Türrahmen festhalten musste. Ich bin deshalb vorhin von ca. 20-21 Uhr nochmal in die Badewanne, aber da half auch die nix mehr, ich hatte trotz warmen Wassers 4 wehen, die zwar nicht stärker aber auch nicht schwacher waren als
Ich kann nicht schlafen, obwohl ich saumüde bin (bin heute früh schon vor um 6 aufgestanden, weil ich aufgrund der Wehen nicht mehr schlafen konnte), weil ich echt alle 10 Minuten diese fiesen Wehen habe, die so wehtun, dass
Es wäre ja schön, wenn das Geburtswehen wären, aber diese Wehen bringen offenbar überhaupt nichts, denn würden sie am Muttermund was bewirken, müsste ich ja Schleimabsonderung haben, aber bis jetzt ist noch nicht mal eine Spur von Schleim zu sehen, absolut gar nichts. Bei jedem Toilettengang ist das Papier absolut weiß.
Um 21:34 Uhr rufe ich meinen Freund an, der schon im Zug zu mir sitzt und erzähle ihm von meinen schmerzhaften Wehen und dass er ja nicht auf die Idee kommen soll, nochmal wegzufahren. Mein Vater will wissen, wo das Geburtshaus ist und es schon mal ins Navi eingeben, für den Fall, dass es diese Nacht losgeht. Ich sage ihm also die Adresse und er gibt es in sein Navi ein. „Die Route ist berechnet“ höre ich die Navigationssystemfrau sagen.
Um ca. 22 Uhr entdecke ich auf dem Klo schließlich winzigste kleine Spuren von minikleinen, rotbraunen Pünktchen im Slip. An die klammere ich mich jetzt und denke, ok, das ist jetzt doch schon Geburt, schließlich ist da „Schleim“. Aber ich will das jetzt nicht, schließlich ist mein Freund noch nicht da. Ich sage mir also, bei den winzigen Spuren hat das Verstreichen des Gebärmutterhalses ja sicher grad erst angefangen und bei Erstgebärenden dauert eh alles eine Ewigkeit. Da können wir noch auf den Papa warten, sage ich zu meiner kleinen Maus. Nur meine Eltern regen sich auf. Eine minutenlange Wehe veratme ich frontal gegen die Wohnungstür gelehnt, mit beiden Handrücken vor dem Gesicht. „Ruf endlich die Hebamme an!“ sagt mein Vater und beide sagen, dass man früher in diesem Zustand schon längst im Krankenhaus war. Ich wiegle ab und sage, das sind nur Übungswehen, schließlich ist noch kein richtiger Schleimabgang da und das dauert sicher noch. Sie lassen sich halbwegs beruhigen.
Um 23 Uhr gehe ich schlafen. Mein Baby drängelt aber plötzlich nach unten, ich spüre richtig, wie es herauskommen will und sich mit den Füßchen oben abstemmt. Ok, das ist jetzt doch wirklich die Geburt. Mein Baby darf aber noch nicht raus, der Papa ist noch nicht da. Ich stehe vor meinem Sofa. Wiege meinen Körper auf den Beinen hin und her. Ich will meinen Baby jetzt langsam rausschaukeln, sanft nach unten schaukeln. Ich wiege sacht hin und her. Dabei rufe ich mir das erstbeste Mantra in den Kopf, das mir einfällt: „Meine MAUS will RAUS aus ihrem HAUS!“ Während der Wehen denke ich das immer wieder und konzentriere mich auf die drei sich reimenden Wörter, um den Schmerz besser zu ertragen.
Dienstag, 27. August 2013
Um 0:23 Uhr rufe ich endlich L. an und sage ihr, ich glaube, das ist jetzt doch Geburt, ich hab Wehen im Minutentakt, vorhin hatte ich auch kurz Durchfall und ein kleines bißchen „Schleim“ ist auch da. Außerdem spüre ich, wie mein Baby mit dem Kopf gegen den Muttermund drängelt und sich von oben mit den Füßen abstemmt. Noch am Telefon habe ich eine Wehe, die ich veratmen muss und L. sagt, ok, ich warte. Nachdem die Wehe vorbei ist, sagt sie, ok, sie fährt los und bereitet alles vor, wir treffen uns vor dem Geburtshaus „und dann kommt heute Nacht dein Baby.“
Um 0:28 Uhr rufe ich meinen Freund an und sage ihm, dass es soweit ist und die Geburt losgeht. Er sitzt immer noch im Zug zu mir. Erst um 0:50 Uhr kommt sein Zug im Hauptbahnhof an. Ich sage ihm, dass wir auf ihn warten und dann alle zusammen ins Geburtshaus fahren. Um ca. 1:00 Uhr kommt er an. Ich stehe im Hausflur und veratme meine Wehen. Er holt mich ab und führt mich das Treppenhaus runter zum Auto. Er atmet schon schwer, hat ganz kalte schwitzige Hände vor Nervosität. Ich freue mich und genieße es, dass er jetzt endlich da ist.
Mein Vater fährt uns ins Geburtshaus mit dem Auto. Ich sitze rechts hinten, meine Mutter sitzt vor mir auf dem Beifahrersitz und hält meine Hand. Mein Vater brettert durch die Gegend wie ein Wilder. In jeder Kurve werden wir halb durchs Auto geschleudert und ich breche meiner Mutter fast die Hand. Im Auto habe ich zwei Wehen zu veratmen, ich heule fast, kann mich aber noch beherrschen. Ich höre der Navigationssystemfrau zu, die immer wieder sagt, jetzt links abbiegen, nach 200m rechts abbiegen, und so weiter. Dann kommen wir endlich in der richtigen Straße an. Mein Vater will wissen, wo es denn nun ist und ich sage mehrere Male, nein hier ist noch nicht die richtige Einfahrt und dann ja, hier ist es, hier geht’s rein.
Endlich sind wir da. L. kommt aus dem Geburtshaus auf mich zu und sagt „Hey, na Schöne?“ Ich gehe zu ihr und umarme sie ca. 5 oder 10 Minuten. Habe dabei auch gerade eine Wehe. So stehen wir eine Weile da auf dem Parkplatz. Dann gehen wir ins Geburtshaus, ich veratme eine Wehe auf einen Tisch gestützt und L. begrüßt meine Eltern und meinen Freund. Danach werde ich in den Geburtsraum geführt. Es ist schön hier, das Licht ist schummrig und gedämpft und ich höre leise Entspannungsmusik. Ich lehne mich auf den roten Gymnastikball und will L. fragen, ob der Gebärmutterhals wenigstens schon begonnen hat, zu verstreichen.
(Nachtrag: Später erfuhr ich, dass ich da schon zu 8 oder 9 cm eröffnet war. Ich dachte, mein Hamster bohnert. DAS ALSO waren meine „unproduktiven Vorwehen“, wegen der ich mich vor nicht mal 4 Stunden hier im Forum ausheulen wollte. )
Während ich auf dem roten Gymnastikball lehne, drückt mein Freund mich ganz fest, immer wenn ich eine Wehe habe. Es ist unangenehm, aber ich sage nichts. Er ist ja total aufgeregt. L. fühlt nach meinem Baby und sagt lächelnd, es bewegt sich. Ich sehe die Geburtswanne und will gleich da rein. WASSER. Wie wunderschön und warm. Ich will ins Wasser. Als ich eintauche, ist das ein wunderbares Gefühl. Ich bin im Vierfüßlerstand in der Wanne und vertöne die letzten Eröffnungswehen auf A und O. Mein Freund hockt vor der Wanne und gibt mir mit einem Strohhalm aus einem Glas Wasser mit Holundersirup zu trinken und kühlt mir die Stirn mit einem Waschlappen. Ich sage ihm, dass er mich bitte während der Wehen nicht berühren soll, denn da kann ich mich nur auf mich konzentrieren. In den Wehenpausen aber darf er mir gern die Stirn kühlen.
Dann kommt die Übergangsphase und die Wehen werden sehr schmerzhaft. Ich fange an zu schreien. Während der Pausen kann ich aber gut entspannen. Als ich so laut schreie, sagt L. zu mir „Versuch mal mit dem Ton tiefer zu kommen.“ Das kann ich aber nicht – als ich es versuche, wird es sofort unangenehmer. Ich muss so laut schreien, das ist meine individuelle Art, den Schmerz zu verarbeiten. L. gibt mir ein paar Globuli und ich frage nicht nach, wofür die sind und was sie bewirken, da ich ihr blind vertraue.
Ich versuche, mir allerlei Mantras in den Kopf zu rufen, die ich mir in den Wochen vor der Geburt für diesen Moment zurechtgelegt habe. „Bereite den Weg für dein Baby… öffne ihm das Tor zur Welt… Wehen sind der Atem der Schöpfung… der Atem der Schöpfung… lass dich von ihm streicheln“.
Ich stelle mir vor, wie sich ein großes Tor öffnet, ich muss es unter Anstrengung öffnen, damit mein Baby vom Himmel zur Erde findet. L. fragt mich in einer Wehenpause, wie sich die Wehen anfühlen. Ich wimmere nur „schlimm“. Einmal will L. gerade etwas sagen, aber da kommt gerade eine Wehe und ich unterbreche sie mit meinem Schreien. Ein einziges Mal gelingt es mir auch, eine Wehe ohne jeglichen Ton auszuhalten. Die anderen werden da sicher gedacht haben, das ist aber eine lange Wehenpause.
L. fühlt nach meinem Baby und sagt, wenn man nach unten sehen könnte, könnte man schon die Haare sehen. Dann sagt sie, ich soll mal nach dem Köpfchen tasten. Das kann ich aber nicht, ich muss mich mit den Händen abstützen. Ich bin immer noch im Vierfüßlerstand und stütze mich mit Händen in der Geburtswanne ab und versuche nach hinten mein Baby rauszuschieben. In jeder Wehe muss ich schreien, aber die Wehenpausen sind lang genug, um gut zu entspannen. L. sagt in der Wehe, jetzt rutscht das Köpfchen vor und in der Pause sagt sie, jetzt rutscht es wieder zurück.
Dann sagt sie, ich soll mich in der der Wanne etwas drehen und mein rechtes Bein aufstellen. Ich versuche es und es gelingt mir gut. Dann spüre ich unten etwas brennen, wie etwas einreißt, aber nicht hinten sondern vorne. Das Köpfchen rutscht immer weiter raus, ich gehe mit der Hand daran, ich fühle den Kopf und die Haare meines Kindes. L. ruft plötzlich meinem Freund zu: „Hose aus, Hose aus!“ Er soll ganz schnell mit ins Wasser und mich hochheben und halten. Ich schreie die ganze Zeit. Ich spüre, wie mein Baby in meinem Geburtskanal steckt, das Köpfchen und eine Schulter schon draußen. Mein Schatz hebt mich hoch. Beide Hebammen versuchen, die andere Schulter auch noch heraus zu bekommen, denn die steckt an meinem Damm fest.
Dann, um ca. 3:20 Uhr, kommt mein Baby auf die Welt. Die nächsten Augenblicke bin ich in einem anderen Bewusstseinszustand, an den ich keine Erinnerung habe und den ich im Nachhinein nicht mehr beschreiben kann. Den ersten Schrei meines Kindes bekomme ich nicht mit. Im Nachhinein denke ich mir, ich bin wahrscheinlich kurz ohnmächtig geworden.
Ich komme langsam wieder zu mir und sehe, wie ich ein kleines Wesen im Arm halte. Ein Baby. Mein Baby. Das ist also mein Baby. „Hallo…. na du?.... da bist du ja, willkommen… na du, hab ich nicht gesagt, wir schaffen das?“ sage ich noch ganz benommen. Denn in der letzten Zeit der Schwangerschaft, wenn ich Angst vor der Geburt hatte, habe ich immer zu meinem Baby gesagt: „Wir beide schaffen das. Schaffen wir das? Na, wir zwei doch sowieso!“
Das ist also mein Baby. Meine Tochter. „Ist es überhaupt eine Tochter?“, fragt mich irgendjemand. „Weiß nicht“, nuschle ich, noch ganz benommen. Das ist mir nämlich in dem Moment echt egal, denn um das rauszufinden, müsste ich ja den Blick vom Gesicht des Babys abwenden. Es ist einfach nur mein Baby und ich halte es jetzt im Arm. Schaut alle her, das ist mein Baby. Die Nabelschnur ist sehr kurz, sodass ich es nur gerade so über Wasser halten kann. L. lässt deshalb etwas Wasser aus der Wanne ablaufen.
Das Wasser in der Wanne ist ganz rot und ich wundere mich, wo denn bloß das ganze Blut herkommt. Und jetzt muss ja noch die Plazenta kommen. Ich habe Angst davor, denn ich hab jetzt genug von Schmerzen. Ich werde am Bauch abgetastet und kriege gesagt, dass sie schon vollständig gelöst ist. Ich muss nochmal pressen. So weh tut es gar nicht und dann ist die Plazenta da. L. sagt, ich soll sie mal befühlen. Die Plazenta ist total weich. Ich hatte sie mir als ganz zähes, dickes, festes Stück Fleisch vorgestellt, aber sie ist ganz weich. Ich streichle sie und denke dabei: Danke, danke, danke, dass du mein Baby so gut ernährt und versorgt hast.
Dann muss ich aus der Wanne raussteigen. Auf dem Weg zum Geburtsbett stützt L. mich und sagt mir, wie unglaublich toll ich das gemacht habe und dass ich eine Heldin bin. Ich lege mich auf das Bett und mein Freund legt sich neben mich. Dann bekommen wir etwas Zeit für uns 3 allein. Wir sind eine ganze Weile allein. Auf dem Bett sagt mein Freund mir, wie unglaublich stolz er auf mich ist, dass ich das geschafft habe. Wir liegen auf dem Geburtsbett und bestaunen unser Baby und lernen es kennen.
Etwas später kommen die Hebammen und meine Eltern wieder rein. Die zweite Hebamme M. legt mir mein Baby an und ich versuche, sie das erste Mal zu stillen. Die Kleine nuckelt an meiner Brust. Ich will sie stillen, hier mein Kind, trink. L. fragt mich, was mit der Plazenta geschehen soll. Ich sage, na ihr macht das doch immer so, dass ihr den Frauen ein Stück anbietet. Also bekomme ich ein Stückchen Plazenta, das ich mit einem Schluck Wasser zu mir nehme. Den Rest der Plazenta will ich mit nach Hause nehmen.
Dann soll ich untenrum untersucht werden. Mein Freund nimmt die Kleine und hält sie währenddessen im Arm. Ich will gar nicht, weil ich Angst vor weiteren Schmerzen hab. Ich will nicht gerissen sein, nicht genäht werden, nichts gemacht haben da unten. Als L. dann mit so einer Stirnlampe ankommt, finde ich das aber trotzdem irgendwie lustig, weil sie damit wie eine Höhlenforscherin aussieht. Mein Damm ist intakt geblieben, aber einen Scheidenriss habe ich und eine Schürfwunde an einer der inneren Labien. Ich sage, dass ich nichts genäht haben will. Werde ich auch nicht. L. und M. bieten mir stattdessen an, die Wunde mit Heilerde zu versorgen und das möchte ich gern.
L. führt die U1 durch. Apgar-Werte sind super, wir haben ein kerngesundes Kind. Dann soll ich aufstehen und werde zur Toilette geführt. Dabei muss ich meinen Bauch festhalten. Ich schaue aus dem Fenster des Geburtsraumes. Draußen wird es langsam hell und ich sehe wie das Morgenlicht auf die Gräber fällt (das Geburtshaus befindet sich direkt neben einem großen Friedhof).
Auf der Toilette werde ich mit Active-Gel eingerieben und abgeklopft. Ich nehme plötzlich alle Stimmen ganz komisch wahr, wie aus der Ferne oder wie aus einem Radio mit schlechtem Empfang und dann plötzlich so dumpf, als würde ich unter einer Käseglocke sitzen und alle anderen draußen. Dann werde ich hochgehoben und nach draußen geführt, aber dabei wird mir schummrig und ich sage „Ich fall gleich um“. Beide Hebammen reagieren sofort, sie lassen mich auf den Boden gleiten und dann liege ich auf dem kalten Fußboden, aber die kurze Ohnmacht geht wieder weg und ich bin wieder bei vollem Bewusstsein. L. schiebt mir zwei Kakaotabletten in den Mund und zwei Stücken Traubenzucker.
Während ich auf dem Boden liege, denke ich an die Frauen, die keine schöne Geburt hatten und das tut mir so unheimlich weh. Ich hätte das niemals ausgehalten, unter widrigen Bedingungen zu gebären. Ich kriege Vita Cola zu trinken und ein Käsebrötchen zu essen. Ich friere und werde mit einem Handtuch zugedeckt. Ich liege immer noch auf dem Boden, L. hockt auf den Stufen vor der Geburtswanne und sieht ziemlich geschafft aus. „Bist du müde?“, frage ich sie. Sie reagiert gar nicht, weil sie wohl gar nicht daran denkt, dass ich sie gemeint haben könnte. Ich zeige mit dem langen Arm auf sie und frage nochmal „Bist du müde?“ Sie nickt lächelnd. Dann muss ich aufstehen, L. hält mich und ich kriege nochmal viel Vita-Cola zu trinken. Danach werde ich aus dem Geburtsraum geführt. Ich frage M., ob ich kreislaufmäßig im Mittelfeld liege, oder ob andere Frauen nach der Geburt viel schneller auf die Beine kommen als ich. Sie sagt, ich liege im Durchschnitt, manche sind schneller, manche langsamer.
Ich verabschiede mich von L., umarme sie und danke ihr. Daraufhin sagt sie mir, es war ihr eine Ehre, mich bei meiner Geburt begleiten zu dürfen. Dann steigen wir ins Auto und fahren nach Hause. Mein Papa fährt zum Glück viel langsamer und sanfter als auf der Hinfahrt. Ich kann noch nicht richtig sitzen.
Es ist ca. 7 Uhr morgens und auf der Fahrt vom Geburtshaus nach Hause sehe ich viele Schulkinder, die von ihren Eltern begleitet werden oder schon alleine gehen. Vor 3 Tagen, am 24. August ist ja bei uns erst Schuleinführung gewesen. An einer Fußgängerampel sehe ich eine Mutter stehen, mit einem kleinen großen Sohn an der Hand, der stolz seinen bunten Schulranzen trägt. In der anderen Hand hält die Frau einen Kinderwagen. Ich hoffe, dass ihre Geburten genauso schön waren, wie meine es war. Denn durch diese Geburt ist mir so vieles bewusst geworden, besonders wie unglaublich wichtig es ist, dass alle Frauen schöne Geburten haben und selbstbestimmt gebären dürfen.
Als Fazit muss ich sagen, dass es die beste Entscheidung meines Lebens war, eine außerklinische Geburt zu wählen und in dieses Geburtshaus zu gehen. Es war einfach nur wunderschön.